Sogar gegrüßt habe sie das Bildnis ihrer Inspirationsquelle, das erste persönliche Treffen sollte ihr Leben dann komplett verändern: "Ich hatte die Chance bekommen, Karajan im Rahmen einer Audition persönlich kennenzulernen. Nach dem Vorsingen schlug er mir vor, Verdis 'Un Ballo in Maschera' mit der Deutschen Grammophon aufzunehmen und an den Salzburger Festspielen teilzunehmen", erinnerte sich Jo. Die Aufnahme mit Placido Domingo in der Hauptrolle sollte Karajans letztes Album werden, Sir Georg Solti übernahm die Leitung nach dem Tod des Dirigenten im Jahr 1989 - ein Woche vor der Premiere.
Dass eine Rolle in einem Verdi-Stück den Beginn ihrer Karriere einleiten sollte, ist kein Zufall. "Als ich ein Kind war, hatte meine Mutter oft italienische Opern gehört. Deshalb wollte ich nach Italien gehen und dort den 'echten' Bel Canto singen." Ihr Europadebüt gab sie so 1986 mit 23 Jahren in Triest, wo sie die Gilda aus Giuseppe Verdis "Rigoletto" sang . Inzwischen hat Jo in so gut wie allen internationalen Opernhäusern weltweit gastiert, "trotzdem ist meine Lieblingsrolle immer noch Gilda, die mich auf Bühnen in Europa und in den USA gebracht hat."
Als zweite Vorliebe nannte Jo das deutsche Repertoire der Klassik. Insbesondere zwei Komponisten der Romantik, Franz Schubert und Robert Schumann, haben es ihr angetan, nicht zuletzt weil sie deren Stücke bereits in der Jugend spielen lernte. Ihre musikalische Ausbildung umfasste neben Gesang nämlich auch Klavier, beides Zweige schloss sie mit 18 Jahren an der Sunhwa Arts School in Seoul per Diplom ab.
Gegenwärtig erreichte die Südkoreanerin aber zuletzt mit einem zeitgenössischen Werk des US-Komponisten David Lang namens "Simple Song #3" für den Film "Ewige Jugend (Youth)" (2015) von Paolo Sorrentino einen großen Erfolg. Das Stück wurde 2016 unter anderem für den Golden Globe und für den Oscar nominiert und wird auch im Burgtheater zu hören sein. Dort mit Unterstützung des Tonkünstler-Orchesters unter der Leitung von Alfred Eschwe.
"Neben Regisseur Sorrentino haben schon viele andere meine Stimme in ihren Filmen oder für den Soundtrack benutzt", sagte die Sopranistin. So lieh sie etwa in der HBO-Kurzserie "Mildred Pierce" der Tochter des von Kate Winslet dargestellten Hauptcharakters die Singstimme. Für die Sängerin ist das eine der Möglichkeiten, klassische Musik einer breiteren Zuhörerschaft schmackhaft zu machen: "Ich versuche immer wieder, anderen den Zugang zu dieser Musik erleichtern", das geschehe in Form von Crossover-Alben oder auch durch Konzerte, die speziell für jüngere Hörer konzipiert wurden.