ABTEIL NR. 6
Bewertung:****

Zugabteile sind die besten Kennenlern-Orte. Das beweist das eigensinnige, melancholische Drama von Juho Kuosmanen. In „Abteil Nr. 6“ schickt er zwei Außenseiter 2000 Kilometer nach Murmansk nördlich des Polarkreises: die schüchterne Archäologiestudentin Laura (Seidi Haarla) und den rauen, trinkfesten Bergarbeiter Ljoha (Yuriy Borisov). Doch inmitten der Kälte, der Einsamkeit und des Wodkas kommen sich die beiden näher. Kuosmanens Romanadaption, in Cannes mit dem Großen Preis der Jury geehrt, ist zugleich Roadtrip, Einsamkeitsstudie und Lovestory. Der Sound zu den spröden Bildern: „Voyage Voyage“. Ein Leinwandtrip, der einen nach 107 Minuten im Abteil beseelt wieder ins Leben entlässt. (js)

A HERO
Bewertung: ****

Der zweifache Oscarpreisträger Asghar Farhadi (,,A Separation", ,,The Salesman") setzt sich in seinem Œuvre mit Klassenstrukturen und Geschlechterrollen im modernen Iran auseinander. Sein neuester Film übt einmal mehr subtile Kritik am komplexen Rechtssystem seines Landes. Da Rahim (Amir Jadidi) seine Schulden nicht begleichen kann, muss er eine Gefängnisstrafe absitzen. Während eines zweitägigen Hafturlaubs findet dessen Partnerin eine Tasche voller Münzen vor und hofft, den Schuldenberg so bezahlen zu können. Doch die Goldmünzen sind weniger wert als erhofft. Rahim will nicht als Dieb dastehen und gibt die Tasche der eigentlichen Besitzerin zurück. Und siehe da: plötzlich wird er von lokalen Medien zum Helden stilisiert. Ein Ruf, der jedoch nicht lange währt. Messerscharf und garniert mit satirischen Tönen seziert Farhadi die Schattenseiten sozialer Medien und deren gefährlichen Einfluss auf das öffentliche Leben. Packend und politisch aufgeladen. (pog)

WARUM ICH EUCH NICHT IN DIE AUGEN SCHAUEN KANN
Bewertung: ***

Naoki Higashida leidet an non-verbalem Autismus und nimmt die Welt auf seine eigene Weise wahr. Im Alter von nur 13 Jahren verarbeitete er seine alltäglichen Gefühle und Gedanken in einen Roman, der mittlerweile als Bestseller gilt. Unter Regie von Jerry Rothwell wurde das Buch nun zum Dokumentarfilm adaptiert. Der heute 25-jährige Naoki wollte selbst nicht vor die Kamera treten, stattdessen widmet sich die Doku mehreren jungen Personen, die ein ähnliches Schicksal teilen. Rothwells Film gewährt faszinierende und empathische Einblicke in einen den meisten Leuten wohl fremden Kosmos. In Form eines begleitenden Voice-Overs kommen immer wieder originale Textpassagen aus der Romanvorlage zum Einsatz. Mit der Machart des Films wurde hier und da etwas tief in den Kitschtopf gegriffen, doch das Gesamtergebnis bleibt ein bewegendes und aufschlussreiches Porträt betroffener Menschen. (pog)

SONIC THE HEDGEHOG 2
Bewertung: **

Im zweiten Leinwandabenteuer der ikonischen SEGA-Figur bekommt es Sonic abermals mit dem schurkischen Dr. Robotnik (Jim Carrey: wunderbar kauzig) zu tun. Nachdem der blaue Igel im Vorgänger die Kleinstadt Green Hills vor den Machenschaften des verrückten Professors bewahren konnte, hat er sicj beim lokalen Sheriff Tom (James Marsden) eingenistet. Als dieser sich für eine Hochzeit nach Hawaii begibt, soll Sonic für ein paar Tage das Haus hüten. Doch Robotnik ist dem blitzschnellen Chaoten dicht auf den Fersen - diesmal in Begleitung des roten Ameisenigels Knuckles. Der Wissenschaftler hat es auf einen Edelstein abgesehen, der ihm große Macht verleihen soll. Sonic will die Pläne seines Widersachers durchkreuzen und bekommt dabei Unterstützung vom zweischwänzigen Fuchs Tails. Die Fortsetzung bietet rasante und effektgeladene Blockbuster-Unterhaltung, die auf Popkulturreferenzen und erwartbare Wendungen setzt. Nur für Fans der Videospiele. (pog)

MORBIUS
Bewertung: ***

Doktor Morbius ist Mediziner. Für die Erfindung von künstlichem Blut bekommt er sogar den Nobelpreis. Doch dem Ziel, seine eigene Blutkrankheit zu heilen, ist er noch nicht näher gekommen. Den Durchbruch sollen genetische Experimente mit Vampir-Fledermäusen bringen. Er selbst ist das Versuchskaninchen bei diesem illegalen Experiment. Auf einem Schiff in internationalen Gewässern injiziert er sich das Mittel. Die Schiffscrew wird nicht überleben. Denn Morbius mutiert zu einer Art Vampir mit übermenschlichen Kräften.
Wir befinden uns im „Spider-Man Universe“, doch nicht alle Superhelden leben ohne Nebenwirkungen. Zuletzt zeigte das schon der hungrige „Venom“ in zwei Filmen. Morbius ist seit den 1970ern einer der Comic-Gegenspieler Spider-mans. In seiner eigenen Serie wird er zum tragischen Antihelden, der verzweifelt versucht ein Heilmittel gegen seinen Blutdurst zu finden und sich derweil als Vigilant mit dem Blut böser Buben über Wasser hält. Der Film erzählt seine Entstehungsgeschichte; Spiderman kommt dabei noch nicht vor. Überhaupt haben Regisseur Daniel Espinosa und das Sony-Studio eine überaus kompakte, vergleichsweise kleine Comic-Verfilmung vorgelegt. Die ausführliche Filmkritik lesen Sie hier. (maw)