Bewertung: *****

Dieses Drama ist ein Kontrapunkt zur lauten, rechthaberischen, egozentrischen und onlinefixierten Gegenwart: Es zelebriert das Zuhören, das Ausredenlassen, die volle Konzentration auf das Gegenüber, das Einanderbegegnen in der analogen Welt. Im empathischen Indiefilm „Come on, come on“ werden Ich-Bezogenheit, Rückzug, Eigennutz und Narzissmen aller Art in eine wohltuende Pause geschickt.
Filmemacher Mike Mills, Ehemann von Universalkünstlerin Miranda July, erzählt in distanziertem Schwarz-Weiß die Story einer ungewöhnlichen Annäherung. Der Radioreporter Johnny (Oscarpreisträger Joaquin Phoenix) zieht für eine Sendereihe durch die USA, in der er Kinder auf Augenhöhe zu ihren Ängsten, Sorgen und Zukunftswünschen befragt.
Der Journalist mit Wohlstandsbäuchlein lebt ein Singleleben in New York. Als seine Schwester Viv (Gaby Hoffmann), mit der er ein schwieriges Verhältnis pflegt, sich um ihren bipolaren Ex-Mann kümmern muss, bietet ihr Johnny an, auf den neunjährigen Jesse (Woody Norman) aufzupassen. Er nimmt ihn mit zur Interview-Tour quer durch die USA.


Der einsiedlerische Onkel und der neunmalkluge Neffe – was für ein wunderbares Kinogespann! Beide müssen sich – mitsamt ihren Spleens – zusammenraufen, sich aufeinander einlassen, sich selbst zurückstellen. Das Medium Radio ist ihnen dabei behilflich: Sie nehmen Meeresgeräusche in L.A. oder Skateboardrollen in New York auf und das Publikum hört Sequenzen aus den Aufnahmen der jungen Interviewten und wahrhaftigen Sätzen wie diesen zu: „Ich mag es nicht, wenn alle gestresst sind, einfach nicht miteinander sprechen und sich vor dem wirklichen Leben verstecken“, sagt eines der befragten Mädchen.
Das gesprochene Wort dient als Rahmen der Handlung, als Grundmelodie des Films. Wenn Jesse dem erwachsenen Interviewprofi Löcher in den Bauch fragt, auf die der keine Antworten parat hat, sind das die wunderbarsten Momente in diesem leisen, aber beharrlichem Film, in dem die Zuckersüße immer genug Bitterstoffe parat hält.

Das Medium Radio verleiht dem Film seinen ganz eigenen Charme
Das Medium Radio verleiht dem Film seinen ganz eigenen Charme © Pandafilm


Kindern zuzuhören und von ihrem Blick auf die Welt zu lernen, ist nie verkehrt. Wie klug Mills die Verlorenheit beider Generationen aufzeigt, ist ein Geschenk in diesen finsteren, distanzierten Zeiten.
Der Buddy-Film lebt vom Darsteller-Duo Joaquin Phoenix und Woody Norman. Dass der 13-jährige Brite neben einem der exaltiertesten Schauspieler der Gegenwart bestehen kann, ist beachtlich. Und Phoenix spielte noch nie so zurückhaltend und zärtlich groß auf. Ein Glücksfall.