Paul Schrader rückt in seinen Filmen meist männliche Außenseiter in den Vordergrund, die gegen innere Dämonen anzukämpfen haben. Moralisch zweifelhafte Figuren, die nach ihrem Platz in der Welt suchen. Nicht umsonst war Taxifahrer Travis Bickle, die wohl bekannteste Schöpfung des heute 75-Jährigen, die Vorlage für die abgründige Neuinterpretation des „Joker“ aus dem Jahre 2019.

Die Thematik des innerlich zerrissenen Einzelgängers spielt auch im neuesten Werk des ,,Taxi Driver“-Drehbuchautors eine tragende Rolle. ,,The Card Counter“ handelt von einem zwielichtigen Pokerspieler, der einen jungen Mann unter seine Fittiche nimmt und von den Geistern seiner Vergangenheit heimgesucht wird. Seit seiner Freilassung aus dem Gefängnis macht Ex-Soldat William Tell (Oscar Isaac) die Casinos des Landes unsicher. Die Kunst des Kartenzählens hat er perfektioniert und weiß genau, wie er jede Poker- und Blackjack-Partie für sich entscheiden kann. Eines Tages kommt der junge Cirk (Tye Sheridan: etwas unterkühlt) auf ihn zu und bittet den mysteriösen Profi-Spieler um einen Gefallen. Der pensionierte Major John Gordo (Willem Dafoe: einschüchternd und groß), der als Drahtzieher der Folterungen im Iraker US-Gefangenenlager Abu Ghraib gilt, soll zur Strecke gebracht werden. Während die meisten Soldaten für ihre Kriegsverbrechen eine Strafe absitzen mussten, war Gordo ungeschoren davongekommen. Poker-Ass Tell selbst war auch an den Gräueltaten beteiligt und sucht seither nach Vergebung. Selbst die romantische Begegnung mit der Spielermanagerin La Linda (Comedienne Tiffany Haddish: ein warmherziger Gegenpol) lässt den Zocker kaum den Schatten der Vergangenheit entrinnen.

Auf den ersten Blick erinnert das visuell betörende Casino-Drama an Hochglanzthriller im Stile von ,,Oceans 11“. Der Schein trügt jedoch: Hinter der unscheinbaren Fassade schlummert eine wehmütige Charakterstudie, die ruhig anfängt, mit zunehmender Laufzeit aber immer tiefer in die gebrochene Psyche ihres Protagonisten eindringt. Oscar Isaac, der nach ein paar Ausflügen ins bombastische Hollywood-Kino (,,Star Wars“, ,,X-Men“) zu seinen Wurzeln als Charakterdarsteller zurückkehrt, läuft als geheimnisvoller Kartenzähler zur Höchstform auf. Schrader zeichnet ein aufwühlendes Psychogramm eines Mannes, der von seiner tragischen Vergangenheit eingeholt wird. Ein Film über die ewige Last der Schuld und den Pfad der Vergebung – komplex und politisch brisant.