Jean Seberg - Against All Enemies
Bewertung: ***
Die Schauspielerin Jean Seberg ist heute durch ihre ikonische Rolle in Godards Nouvelle-Vague-Gangsterfilm „Außer Atem“ von 1960 in Erinnerung. Nun widmet sich die Filmbiografie „Jean Seberg – Against All Enemies“ der wahren Geschichte ihrer Verfolgung durch das FBI. Als sie sich Ende der 60er für die Black-Power-Bewegung engagiert, wird sie von J. Edgar Hoovers Agenten mit gezielten Verleumdungen beruflich und psychisch ruiniert.
Benedict Andrews grenzt sein Hochglanz-Biopic zeitlich ein, ist aber unentschlossen zwischen Überwachungskrimi und privatem Drama. Kristen Stewart als Seberg ist die ideale Besetzung. Der Kampf gegen afroamerikanischen Aktivismus sowie der Missbrauch staatlicher Überwachung ist aktuell wie nie.
Le jeune Ahmed
Bewertung: ****
Dunkle, krause Locken, sanfter Blick, schmächtige Statur: Der 13-jährige Ahmed sieht auf den ersten Blick nicht so aus, als könnte er einer Fliege etwas zuleide tun. Er ist ein gewissenhafter Schüler. Und wenn sich die Lehrerin im Unterricht über ihn beugt, um ein Rechenbeispiel zu besprechen, hört er ihr zu. Als er später das Klassenzimmer verlässt, schüttelt er ihr nicht die Hand. Stattdessen sagt er: „Ich bin kein Kind mehr.“ Nachsatz: „Ein echter Muslim gibt Frauen nicht die Hand.“ Diesen Satz hat ihm sein Imam (Othmane Moumen) eingebläut. Er wird zum Ersatzvater.
Das belgische Brüderpaar Jean-Pierre und Luc Dardenne dokumentiert in seinem im Vorjahr in Cannes mit dem Regiepreis gekrönten Film „Le jeune Ahmed“ („Der junge Ahmed“) die Geschichte einer Radikalisierung mitten in einer liberalen Familie in einer belgischen Kleinstadt. Es ist ein bedrückendes, heftig kritisiertes und politisch unkorrektes Drama, das nicht wertet, sondern die Entwicklung des Fanatismus nüchtern begleitet und auf jegliche Innensicht in die Gedankenwelt des Burschen verzichtet. Ebenso wie auf eine Vorgeschichte. Idir Ben Addi verkörpert den Burschen, der sich dem Jihad anschließt, auf beängstigende Weise. Manchmal, wenn er über Treppen steigt, verliert ihn die Kamera, wie er sich scheinbar selbst längst verloren hat. Es sind 80 beklemmende Minuten, die aber auch die Ahnungslosigkeit der Sozialarbeiter, Betreuer und Lehrer offenlegen.
Sigmund Freud, Jude ohne Gott
Bewertung: ***
In der Berggasse im 9. Wiener Bezirk entwickelte Sigmund Freud jene therapeutische Behandlungsform, die ihn weltberühmt machte: die Psychoanalyse. David Teboul, der bereits Yves Saint Laurent erfolgreich porträtiert hat, haucht seinem essayistischen Biopic mit Schriften und Erinnerungen von Freud, dessen Tochter Anna sowie berühmten Weggefährten Leinwandleben ein.
Er bietet Einblicke in die visionären Theorien und beschäftigt sich mit der jüdischen Identität des Atheisten: Von Freuds Kindheit im „Wiener Ghetto“ über seine (anfängliche) Sympathie für den Zionismus bis hin zum Trauma des Nationalsozialismus und die Flucht ins Londoner Exil. Bisher unveröffentlichte Archivbilder illustrieren Freuds wechselvolles Leben in all seinen Facetten.
Hello Again - Ein Tag wie immer
Bewertung: ***
„Freundschaft ist Gold, Beziehung ist Blech!“, lautet das Lebensmotto von Zazie (Alicia von Rittberg), die sich selbst für beziehungsunfähig hält. Die Nächte sind lang, das Leben kurz, wozu sich also Stress mit der Liebe antun? Die Antwort darauf flattert mit einer Hochzeitseinladung ins Haus. Zazies ehemals bester Freund Philipp (Tim Oliver Schultz) heiratet ausgerechnet ihre frühere Erzrivalin Franziska (Emilia Schüle). Aus Zazies Sicht ein schwerer Fehler, den es zu verhindern gilt: Jeden Tag aufs Neue und mit mehr oder weniger guten Argumenten, denn die unkonventionelle Dauerstudentin ist in einer Zeitschleife gefangen und erlebt den Hochzeitstag immer und immer wieder. Hört sich nicht nur wie „Und täglich grüßt das Murmeltier“ an, sondern ist es auch. Dennoch überrascht die Komödie mit philosophischen Erkenntnissen, die Regisseurin und Drehbuchautorin Maggie Peren geschickt in den Plot einfließen lässt.