Bewertung: ***
Könnte man dieses streng arrangierte, steril ausgeleuchtete aber dabei unheimlich stylishe Gewächshaus mit dem leuchtend roten Blütenmeer besuchen – es würde garantiert zum Instagram-Hotspot mutieren. Wie eigentlich jedes einzelne Szenenbild (Kamera Martin Gschlacht, Ausstattung Katharina Wöppermann, Kostüme Tanja Hausner) dieses neuen Films der Wiener Filmemacherin Jessica Hausner. „Little Joe“ ist ihr erstes Werk auf Englisch, es feierte seine Weltpremiere in Cannes, wo Hauptdarstellerin Emily Beecham für ihr faszinierend feinsinniges Spiel mit dem Preis als beste Darstellerin geehrt wurde.
Im Zentrum des Films wächst ein Pflänzchen, um das sich die ehrgeizige Wissenschaftlerin Alice (Beecham) schon bald intensiver kümmert als um ihren Sohn, dieses Pflänzchen aber nach ihm „Little Joe“ tauft und unerlaubterweise ein Exemplar nach Hause schmuggelt. Die genmanipulierte Blume soll beim Beschnuppern dank des Mutterhormons Oxytocineinen therapeutische Effekte entwickeln und glücklich machen.
Zum minimalistischen Sound des japanischen Avantgarde-Komponisten Teiji Ito lässt Hausner nicht nur die Pflanzen, sondern auch das Unbehagen mit Genre-Andockungen nach und nach hinreißend schaurig gedeihen. Die Menschen, die mit der Blume in Kontakt kommen, verändern und verfremden sich, ihr Verhalten wirkt wie aus dem Rahmen gefallen. Und in Alice keimt zunehmend der Verdacht, dass diese Pflanze ein Eigenleben entwickelt hat.
Maximal subtil
An diesem Punkt wird es spannend: In maximaler Subtilität, gedüngt mit Ironie, skizziert die Regisseurin das soziale Verhalten oder das Fehlen davon mit vielen Wendungen im Plot. Das enge Korsett über den menschlichen Konflikt mit Mutter Natur lähmt mitunter den inhaltlichen Spannungsbogen, jede Szene dieses Kampfes wirkt aber genauso verschroben wie die auffälligen Kleiderzipfel oder die zersausten Frisuren. Und das ist dann doch wieder sehr stimmig.