Jeder Horror braucht das trügerische Idyll, zum Beispiel Bilder wie diese: eine fröhlich bimmelnde Rinderherde auf der Alm und dazu Hochbetrieb im Wirtshaus. Unheil kündigt sich an, wenn das servierte Schnitzerl so roh ist, dass man es rasch hinunterschlingen muss, bevor es einen selbst verschluckt. So beginnt „Die Kinder der Toten“, Kelly Coppers und Pavol Liskas Verfilmung von Elfriede Jelineks gleichnamigem Roman, mit Mürztaler Laien im steirischen herbst 2017 vor Ort auf Super 8 gedreht, bei der Berlinale im Februar uraufgeführt.


Nichts an diesem Stummfilm sollte funktionieren, Jelineks monumentales Werk sich gegen die krude Bearbeitung sperren. De facto aber ist das Werk enorm unterhaltsam, das Stilmittel der bewussten Amateurhaftigkeit mit verschwommenen Bildern und kunstvoll zerhackter Tonspur erstaunlich tragfähig.

Die gespenstische Wiederkehr verdrängter Ereignisse aus der NS-Zeit, die Jelinek in schaurigen Panoramen ausbreitet, weicht im Film allerdings ganz der burlesken Überschreibung. Etwa, wenn einst berühmte österreichische Künstler, Politiker, Ski- und Rennfahrer zur wiedergängerischen Prozession antreten, Zombies mit Palatschinkenfratzen das Dorfwirtshaus besetzen und ausgenommene Forellen zur Duellwaffe werden.

Wo das Monströse geblieben ist

Eine Untote tritt zur „langsamsten Verfolgungsjagd in der Geschichte des Kinos“ gegen ihre Doppelgängerin an, syrische Dichter leiden an ihren lyrischen Verdauungsapparaten. Gegen Schluss hin geht – bei einer Kino-Trauersitzung mit Blasmusik – die Leinwand in Flammen auf und erweist sich als Tor zur Hölle, ehe ein einfallender Flamingoschwarm das Ende der Welt herbeiführt. Da hat man sich schon 90 Minuten lang recht prächtig amüsiert; das Monströse hingegen ist zwischen den Buchdeckeln verblieben.