Für die einen war sie das schönste Gesicht Hollywoods, für die anderen blieb sie wegen freizügiger Szenen im Film „Ekstase“ (1933) ewiges Sexsymbol und viele Männer (inklusive ihrer sechs Ehemänner) sahen sie als hübschen Aufputz. Hedy Lamarr, deren Aussehen angeblich Inspiration für Disneys „Schneewittchen“ war, konnte aber mehr. Sie war eine von Neugier getriebene Person, eine Widerstandskämpferin in der Ferne, eine toughe Erfinderin und Pionierin in vielen Bereichen.
Selbst ihr Sohn gibt zu: „Nicht einmal ich kann verbindlich sagen, wer Hedy Lamarr war.“
Die US-Filmemacherin Andrea Dean zeichnet in der Doku „Geniale Göttin“ ein vielschichtiges Bild der 1914 in Wien geborenen Hedwig Kiesler. Mithilfe von Zeitzeugen, Bekannten, Wissenschaftlern und ihren Kindern porträtiert die Regisseurin die unbekannten Seiten einer Frau, die zeitlebens unterschätzt und von Filmmogul Louis B. Mayer in stereotype Rollen gedrängt wurde. Einer Frau, deren Schönheit sowohl ihr Kapital als auch ihr Fluch war.
Zu den eindrucksvollsten Szenen gehören Tonbandaufnahmen eines „Forbes“-Journalisten, in denen sie selbst zu hören ist: „Ich bin ein einfacher und komplizierter Mensch.“
Im Archiv verstaubt
Dabei hätte die in die USA Emigrierte 1942 Geschichte schreiben können. Mitten im Zweiten Weltkrieg reichte sie mit dem Pianisten George Antheil ein Patent zur störungssicheren Funksteuerung für Torpedos ein. Das Frequenzsprungverfahren hätte im U-Boot-Kampf gegen die Nazis helfen können. Aber: Die Entwürfe verstaubten im Archiv. Jahre später wurden sie im Mobilfunk umgesetzt. Heute gilt Lamarr als Pionierin der Bluetooth- und WLAN-Technik. Weil sie es verabsäumt hatte, das Patent zu verlängern, sah sie keinen Cent.
„Jedes Mädchen kann glamourös aussehen. Du musst nur still stehen und dumm gucken.“ Dieses denkwürdige Zitat stellt die Regisseurin diesem sehenswerten Film voran, der mehr ist als ein Porträt. Er skizziert auch das patriarchale, oberflächliche Hollywood, in dem Frauen als Ware betrachtet werden. Am Ende offenbart sich die ganze Tragik dieser Biografie. Der Verlust der Schönheit, er bedeutete auch Machtverlust. Aber: Selbst da verlor Hedy Lamarr ihren Erfindergeist nicht – so ließ sie sich etwa die Schnitte des Schönheitschirurgen hinter die Ohren setzen, wo sie unsichtbar blieben.