Über Jahrzehnte hat der Disney-Konzern mit seinen handgezeichneten Trickfilmen Maßstäbe gesetzt. In den späten 1970-er Jahren setzte die Filmindustrie verstärkt auch auf Computeranimation, was heute Standard ist. Aus jeglicher Norm des Animationsfilms fällt dieser von Dorotea Kobiela und Hugh Weichmann inszenierte Streifen, der von Schauspielern dargestellte Figuren in die Bildwelt von Van Gogh integriert. Insgesamt sechs Jahre hindurch saßen rund 120 ausgebildete Maler und Malerinnen vor der Staffelei, um rund 130 überlieferte Van-Gogh-Gemälde in Öl nachzumalen.
Diese Verfahrensweise ist ein Unikat und wird kaum Nachfolger finden. Auch, wenn der Film Furore macht und noch weiter machen wird. Anfang Dezember wurde er mit dem Europäischen Filmpreis für den besten Animationsfilm ausgezeichnet und diese europäische Handarbeit ist im Oscar-Rennen.
Der Plot und die Dramaturgie des Streifens ist ziemlich simpel gestrickt. Ein Jahr nach Van Goghs Tod taucht in Südfrankreich ein an dessen Bruder Theo adressierter Brief auf. Der oftmals vom Künstler proträtierte Postmeister Roulin beauftragt seinen Sohn Armand diesen Brief persönlich in Paris zu übergeben.
Armand hält Van Gogh für einen irren Künstler und Säufer. Er erfährt, dass Theo ein halbes Jahr nach seinem Bruder gestorben ist und so bricht er nach Auvers-sur-Oise auf, um Dr. Gachet zu treffen, der den Künstler zuletzt behandelt hat. So rückt schließlich van Goghs Tod – Selbstmord oder vielleicht Mord – in den Mittelpunkt des Films. Armand versinkt fast in dem Meer unterschiedlicher Interpretationen von Begebenheiten. Er weiß nicht, was die Wahrheit ist, aber er spürt, dass er Van Gogh unrecht getan hat.
Reinhold Reiterer