Ballade von der weißen Kuh

Bewertung: ****

„Ghasideyeh gave sefid – Ballade von der weißen Kuh“ ist nach einer Koran-Sure benannt. Doch im kompromisslosen Film von Maryam Moghaddam, die auch die Hauptrolle spielt, und Behtash Sanaeeha dient Gottes Wille nur als Entschuldigung für die Unzulänglichkeiten der brutalen iranischen Justiz. Die Todesstrafe-Geschichte könnte auch in Texas oder Japan spielen. Minas Mann wurde zu Unrecht exekutiert. Die Entschädigung „im Ausmaß des vollen Preises eines erwachsenen Mannes“ bringt ihn aber auch nicht zurück. Ohne sich erkennen zu geben, hilft der schuldgeplagte Richter Reza der alleinerziehenden Mutter der 7-jährigen gehörlosen Bita. Dabei kommen sich die beiden näher. Doch wie in einem klassischen Drama des 19. Jahrhunderts lässt sie das Geheimnis um Schuld und Sühne nicht los, das ihnen das politische System aufgenötigt hat. Inspiriert von der Mutter und dem exekutierten Vater der Regisseurin, ist die Ballade eine etwas allzu klar konstruierte, aber ebenso ruhige wie starke Geschichte aus dem unfreien Filmland Iran. (mw)

The Sadness

Bewertung: ***

Der Kanadier Rob Jabbaz zieht in seinem komplett auf Mandarin gedrehten Regiedebüt Parallelen zur anhaltenden Covid-19-Pandemie. Als eine neuartige Viruserkrankung Taiwans Hauptstadt Taipeh heimsucht, wird diese anfangs von vielen als harmlose Grippe abgetan. Doch mit dem sogenannten Alvinvirus ist nicht zu spaßen. Infizierte Personen verlieren binnen kürzester Zeit den Verstand und mutieren zu mordenden Bestien. Während Regierende die brenzlige Situation weiterhin beschönigen, breitet sich das Virus auf den Straßen der ostasiatischen Metropole rasend schnell aus. Inmitten des blutrünstigen Gemetzels: ein junger Mann, der sich durch die verseuchten Menschenmengen kämpft, um seine Partnerin wiederzufinden. Für eingesessene Genre-Fans ist der hochwertig aussehende Low-Budget-Streifen ein wahres Fest. Ultrabrutaler Zombie-Horror aus Asien, garniert mit bissiger Gesellschaftssatire. (pog)

Notturno

Bewertung: ***

Als einziger Dokumentarfilm war „Notturno“ im Wettbewerb des Venedig Festivals 2020 ein opulenter Reality-Check. Doku-Starregisseur Gianfranco Rosi setzte zuletzt die Mittelmeer-Flüchtlingskatastrophe in „Fuocoammare“ unmittelbar ins Bild (Goldener Berlinale-Bär). Diesmal führt ihn sein dokumentarischer Ausflug zu einfachen Menschen im Nahen Osten, auf den Spuren des „Echos des Krieges“. Gleich zu Beginn macht Rosi im einzigen erklärenden Text klar, wer die entscheidende Mitschuld an den brutalen politischen Bruchlinien dieser Region trägt: Die beliebigen Grenzlinien und Marionetten-Despoten der Kolonialmächte lassen postkoloniale Konstruktionen wie den Irak, Syrien oder den Libanon zu „Failed States“ werden. Lesen Sie hier ein Interview mit Gianfranco Rosi.

Der Film selbst ist dann die gewohnte Kombination aus dem kommentarlosen Draufhalten des puristischen Dokumentarfilms mit bildgewaltigen Aufnahmen, viele davon in der Nacht. „Notturno“ sei ein „Film des Lichts, gemacht aus dem dunklen Material der Geschichte“. Bewusst verwischt Rosi dabei aber die Orte und Schicksale und lässt jegliche Erklärung und Verortung konsequent vermissen. Das macht den unterm Strich distanzierten Film zu einem humanistischen, aber nicht zu einem politischen Porträt einer Region, die uns viel näher sein sollte, als sie es in den Abendnachrichten ist. In Graz ab 11. Februar. (mw)

Wunderschön

Bewertung: ***

Sonja (Karoline Herfurth) hat zwei Kinder geboren, ihr Idealgewicht ist in weite Ferne gerückt und in ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter ist sie todunglücklich und frustriert. Model Julie (Emilia Schüle) ist jung, bildhübsch und wird von ihrer Agentin trotzdem als zu dick abgehakt, Abführmittel sollen es richten. Frauke (Martina Gedeck), bald 60, leidet darunter, dass ihr Gatte sie nicht mehr als begehrenswert einstuft. Sie sich selbst auch nicht mehr.
Kunstlehrerin Vicky (Nora Tschirner) hat kein Problem mit One-Night-Stands, nur zu viel Nähe zu Männern packt sie nicht. Im Unterricht kämpft sie gegen Geschlechterklischees erfolgreich an. Wie bei Leyla (Dilara Aylin Ziem), die dank der „Body Positivity“-Bewegung und Baseball ihren Körper akzeptiert – im Gegensatz zu ihrer Mama (Melika Foroutan).

Wunderschöne feministische Komödie aus Deutschland. Lesen Sie hier die ausführliche Kritik zu unserem Film der Woche.