Fehlende Originalität kann man dem wahnwitzigen Drehbuch von "El Conde" ("Der Graf") und somit den Autoren Guillermo Calderón und Pablo Larraín nicht vorwerfen. Der Filmemacher Larraín ("Spencer", "Ema") lässt den 2006 verstorbenen chilenischen Diktator Augusto Pinochet in seiner bitterbösen, wilden Farce nach einem vorgetäuschten Tod in einer heruntergekommenen Ranch als Vampir weiterleben; mitsamt seiner opportunistischen Familie, einem illoyalen Diener und seiner veritablen Lebenskrise. Soll der Untote gehen oder trinkt er weiter das frische Blut seiner Opfer und mixt sich ein Lebenselixier aus ihren frisch entrissenen, schlagenden Herzen, um irgendwie am Leben zu bleiben?

Die Kinder Pinochets wollen dem ermüdenden Treiben ein Ende setzen. Eine Tochter engagiert eine Nonne, die, als Buchhalterin getarnt, einen Exorzismus an ihm ausüben soll. Diese Carmen (Paula Luchsinger), die Pinochet anflirtet, verhält sich immer komischer. Davor listet sie jedoch penibel ein Inventar seiner Familie und deren Verbrechen auf.

Die reale Story ist bekannt. Der General starb, ohne je für seine Verbrechen und sein monströses System aus Gewalt und Folter verurteilt zu werden. Aus gesundheitlichen Gründen musste er nie vor Gericht erscheinen. Die makabre Vampiridee münzt Larraín in einen bissigen, überdrehten, kontrastreich fotografierten Schwarz-Weiß-Film, der zwischen Satire, Farce und Geschichtslektion changiert und mitunter etwas zahnlos wirkt. Blut spritzt, berühmte Köpfe wie jener von Marie-Antoinette rollen, Herzen werden herausgerissen und Leichen fliegen durch die Luft. Und eine unglaubwürdige Verbündete taucht am Ende auf.

Der allegorische Netflix-Film war einer der spannenderen Streamingbeiträge bei den jüngst zu Ende gegangenen Filmfestspielen von Venedig und erhielt auch den Preis für das beste Drehbuch. Der Film mit dem zum Gros südamerikanischen Cast punktet auch als Mahnung an die Gefahren der Wiederholung der Geschichte und aufkeimende faschistoide Gedanken.

Bewertung: ****