JEANNE DU BARRY
Bewertung: ***
Wer sich in Hollywood durch Skandale ins Aus manövriert, geht eben nach Europa. Im Fall von Johnny Depp ist es seine Ex-Wahlheimat Frankreich. Regisseurin und Schauspielerin Maïwenn besetzte ihn im Biopic über die Mätresse Jeanne von König Ludwig XV. als ebendiesen. Depp kaut sich müde durch seine Szenen, der eigentliche Star ist Jeanne (Maïwenn). Als uneheliches Kind einer Köchin geboren, steigt sie voller Wissensdrang und Körpereinsatz zur Geliebten am Hof von Versailles auf. Adel und Familie sind schockiert. Maïwenn inszeniert beide Figuren unreflektiert mit goldenem Herzen als Märchenprotagonisten im Meer voller Widersacher. Das nagt an der Qualität. Schön anzuschauen ist der Historienfilm allemal. (sg)
VIENNA CALLING
Bewertung: ****
"Wien, nur Wien, du kennst mich up, kennst mich down", heißt es in Falcos Song. Philipp Jedickes "Vienna Calling" ist eine Liebeserklärung ans dreckige, grindsuhlende, herzklopfende, wummernde Nischen-Wien. Inklusive "Great Rock 'n' Roll Swindle" für Deutsche, wie Wanda-Manager Stefan Redelsteiner sagt. Das Publikum wird zur Schwarzen Messe mit Autorin Lydia Haider in die Kanalisation geladen, in EsRaps Wohnzimmer. Bei den Peep-Show-Konzerten mit Voodoo Jürgens rotiert das Plüschsofa. Kerosin95 rennt über die St. Marxer Betonwüste – im Brautkleid. Immer wieder stranden alle im Schmauswaberl. Eine ausführliche Kritik lesen Sie hier.
JOY RIDE – THE TRIP
Bewertung: ****
Nach dem Oscar-Erfolg "Everything Everywhere All At Once" und dem aktuellen Indie-Drama "Past Lives" ist "Joy Ride" ein weiterer internationaler Erfolg für den Asian-American-Film. Wie oft in Komödien ist es nebensächlich, was die reisenden Frauen dabei alles erleben. Nachdem Wirtschaftsanwältin Audrey und ihre Künstlerfreundin Lolo die autistische Cousine, genannt Deadeye, aufgegabelt haben, treffen sie in China Audreys Studienkollegin, die Schauspielerin Kat. Gespielt werden die vier von Ashley Park, Sherry Cola, Sabrina Wu und der oscarnominierten Stephanie Hsu. Von da an geht alles schief, was schiefgehen kann. Viel Alkohol und andere Drogen sind ein Grund dafür, Lolas Sexdrive ein anderer. Selten wurden Männer so ungeniert-ironisch als Lustobjekte gefilmt, der echte NBA-Spieler Baron Davis samt seinem chinesischen Basketballteam inklusive. Richtig dreckig wird es aber auch nicht, ist doch alles im Dienste des Humors. Und der sitzt! (maw)
L'AMOUR DU MONDE – SEHNSUCHT NACH DER WELT
Bewertung: ****
Hinreißendes Debüt der Schweizer Regisseurin Jenna Hasse. Die 14-jährige Margaux (Clarisse Margaux) sehnt sich nach der Welt. Im Dorfkino versinkt sie mit Klassikern in ein cinephiles Universum. Beim Praktikum in einem Kinderheim am Genfer See begegnet sie der wilden Halbwaisen Juliette. Bei nächtlichen Ausbüxern treffen sie auf den Fischer Joël (Marc Oosterhoff), der nach dem Tod seiner Mutter aus Indonesien zurückgekehrt ist. Drei einsame Seelen verbünden sich in ihren von Müttern abstinenten Leben. Auf einem Boot auf dem See entkommen sie der Enge ihres Alltags. Ode an den Zufall. (js)
OPERATION WHITE CHRISTMAS
Bewertung: **
Eine Videothek bildet den Ausgangspunkt für die abgedrehte Actionkomödie von Flo Lackner. In Klagenfurt betreibt Filmnerd Enis (Rauand Taleb) eine – inklusive dicken Minus am Konto. Da braucht es besondere Abhilfe, um den Schuldenberg abzubauen. Seine Freundin Domino (Yvonne Yung Hee Bormann) bestellt Hilfe aus dem Darknet. Der abstoßende Bob (Roland Düringer: theatralisch) hilft unter einer Bedingung: Sie sollen den weihnachtlichen Staatsbesuch der kasachischen Präsidentin verhindern. Zusätzliche Unterstützung kommt ausgerechnet aus der Skinhead-Szene. Zitierfreudig schlittert die Actionhommage von einem Klischee ins nächste: Erzählstimmen aus dem Off, überkonstruierte Plots, überholte Stereotypen. Wenn auch mit visuellem Bombast nicht gegeizt wird, verliert Lackner sich so sehr in der Nostalgie seiner Vorbilder, dass er auf zeitgemäße Gags und eigenständige Ideen vergisst. (pog)