Das Persönliche ist politisch. Das musste auch die renommierte Fotografin Nan Goldin erfahren. Nach einem Unfall wurde sie schmerzmittelabhängig und ging beinahe daran zugrunde. Seither kämpft sie gegen jene, die insbesondere in den USA die sogenannte Opioidkrise maßgeblich mitzuverantworten haben: die Milliardärsfamilie Sackler, die hinter dem Pharmakonzern Purdue steht. Den Sacklers lasten die Aktivistinnen und Aktivisten um Goldins Organisation eine halbe Million Tote an, die an Abhängigkeit des Schmerzmittels Oxycontin, einer Überdosis oder infolgedessen an einer anderen Droge gestorben sind. Auf diesem Leid ist ihr Vermögen aufgebaut.


Bei diesem David-gegen-Goliath-Aufstand schließt sich auch der Kreis zu Goldins Karriere. Denn die Sacklers sind schwerreiche Kunstphilanthropen, die mit dem Blutgeld ihren Namen in unzähligen Museen weltweit verewigt sehen möchten: vom New Yorker Metropolitan Museum bis zum Pariser Louvre. Dort wollen die Kunstmäzene das Image ihrer unethischen Geschäftstätigkeit reinwaschen. Goldin will die Museen dazu bringen, das schmutzige Geld abzulehnen, und der Letztverantwortung einen Namen geben.

In dieser Doku wird nicht in erster Linie die Politik zum bloßen Material der Kunst, sondern die Künstlerin selbst zur Aktivistin. Erst kommt das Leben, dann die Kunst. Dass das Persönliche politisch ist, weiß Regisseurin Laura Poitras allzu gut – nicht erst seit ihrer oscarprämierten Dokumentation "Citizenfour" zu den Enthüllungen Edward Snowdens über die digitale Massenüberwachung. "All the Beauty and the Bloodshed" ist ambitionierter und poetischer.

Ziviles Aufbegehren

Der Film ist zugleich ein vielschichtiges privates und künstlerisches Porträt der Fotografin wie auch ein Zeugnis ihres lebenslangen politischen Kampfes bis hin zur Chronik des zivilen Aufbegehrens gegen die Sacklers. Poitras wirft ihr dokumentarisches Netz weit aus. Der Film – wunderbar betitelt nach einem Tagebuch-Zitat von Goldins verstorbener Schwester ("All die Schönheit und das Blutvergießen") – orientiert sich an ihrem Leben, das den roten Faden durch das Amerika der 1970/80er liefert. Dabei kommen die queere Gegenkultur in New York, Goldins schwierige Familienverhältnisse und die Aids-Krise als Vorläufer der Opioidkrise ebenso vor wie ihre unerschrockenen feministischen Fotoarbeiten.


Ganz schön viel Stoff, am Ende ergibt die Collage ein dichtes, politisch heißes Bild einer engagierten Künstlerin. Dafür erhielt Poitras den Goldenen Löwen beim Filmfestival von Venedig.