Darren Aronofsky hat ein Händchen für Comeback-Geschichten. Mit "The Wrestler" ebnete er Mickey Rourke den Weg zurück ins Filmgeschäft. Nun ermöglicht "The Whale" Brendan Fraser eine künstlerische Auferstehung nach einigen Jahren im Aus. Auch wenn Amerika Comebacks liebt, diese beiden hatten mit realen persönlichen Problemen zu kämpfen. Beide Schauspieler wurden schließlich für den Oscar nominiert; Brendan Fraser hat ihn auch gewonnen – ein ehrlich emotionaler Moment.

"The Whale" ist einer jener Filme, die sich unauflöslich mit ihrer Entstehungsgeschichte verbinden. Die Adaption eines Theaterstücks erzählt von einer Figur am Abgrund. Charlie ist Hochschullehrer für Englisch. Und er ist adipös. So stark, dass es gesundheitsgefährdend ist. Er arbeitet vor verdeckter Kamera, kann sein Wohnzimmer nicht mehr verlassen und bestellt sich Pizza und Junkfood in rauen Mengen. Nur die befreundete Krankenschwester Liz (großartig: Hong Chau) versorgt ihn, eine Krankenversicherung kann er sich nicht leisten. Sein einziger Wunsch ist es, seiner Teenager-Tochter Ellie (Sadie Sink) das Selbstvertrauen mitzugeben, das er selbst schon lange verloren hat.
Seine Adipositas ist Symptom und zugleich Metapher für die innere Traurigkeit. Charlie hat jemanden verloren und sich vor der Welt zurückgezogen. Er frisst seine Scham und Schuld in sich hinein. Sein Rückzug spiegelt die filmische Reduktion des seltsamen Theaterstoffs ebenso wie den Filmdreh im März 2021 am Beginn des zweiten Pandemiejahres. All diese Querverbindungen machen das simple Drama mit seinen ehrlichen, aber nicht subtilen Tränendrüsenmomenten reichhaltiger.

Regisseur Darren Aronofsky ("Noah", "Black Swan") ist bekannt für eigenwillige Projekte, biblische Anspielungen und – wie auch bei "The Whale" – eine klassische Erlösungsgeschichte. Für Teile des Publikums wird das zu viel Kitsch-Gewicht auf die Waage werfen. Doch Buch, Regie und vor allem das starke Ensemble bringen Schmäh in die Mitleidsmomente.

Dieser von Brendan Fraser verkörperte Charlie ist trotz oder gerade wegen seiner verschwitzten körperlichen Erscheinung und seelischen Selbstaufgabe ein ungemein sympathischer Charakter. Im realistischen 136-Kilo-Fatsuit vermittelt er eine existenzielle Menschlichkeit, die berührt.
„The Whale“ bekam bei seiner Weltpremiere in Venedig viel Applaus, der vor allem Fraser galt. Seiner „Brenaissance“ nach dem Oscar-Walfang ist jedenfalls nur das Beste zu wünschen.

Bewertung: ****