Ein Mensch zu sein ohne eigene Identität, ohne richtigen Namen und ohne Ambition: Was für manche wie ein Horrorszenario klingen würde, ist für die Protagonistinnen und Protagonisten von Sophie Linnenbaums Debüt „The Ordinaries“ der einzige Zweck ihrer Existenz. Gewöhnliche Menschen im Hintergrund eines Films stehen bei ihr im Mittelpunkt.
Wie schon in ihren Kurzfilmen „Out of Frame“ und „PIX“ entwirft die deutsche Filmemacherin ein Universum, in dem der filmische Jargon zur Realität wird. Ihre Figuren existieren rein zur Unterhaltung eines nie sichtbaren Publikums, das über dem Geschehen zu schweben scheint.
Ihr Leben wird durch persönliche „Soundtracks“, „Schnitte“ und „Monologe“ bestimmt. Die Bewohner sind unterteilt in Haupt- und Nebenfiguren und die untersten Ränge, also Filmfehler, Fehlbesetzungen und noch schlimmer, Outtakes. Wie Protagonistin Paula (Fine Sendel), eine Nebenfigur mit Ambition auf eine Hauptfigur, erklärt, wird die idealisierte Welt von den „Fehlern“ gestört. Ihr Vater, eine „sehr wichtige Hauptfigur“, wurde bei einem vergangenen Aufstand getötet.

Der lange Schatten seines Ruhms ist der Auslöser für Paulas Selbstfindung und ihrer Infragestellung der Hierarchie. Selbst ihre beste Freundin Hannah (Sira Faal) und deren Familie, perfekte Hauptfiguren, die stets in große altmodische Musical-Szenen ausbrechen, können ihr nicht helfen herauszufinden, was mit ihrem Vater passiert ist. Das fehlbesetzte Hausmädchen Hilde (Henning Peker) bringt sie auf die richtige Spur. Sie soll „die andere Liste“ konsultieren. Könnte ihr Vater ein Outtake gewesen sein, das aus dem Film herausgeschnitten wurde? Was würde das für Paula und ihren Platz in dieser Welt bedeuten?

Linnenbaum schüttet ein Füllhorn an Referenzen, visuellen Hommagen und nerdigen Filmwitzen aus und hat viel Spaß daran, ein Paralleluniversum zu erschaffen, in dem unsere filmischen Erinnerungen in ihrer Symbolik gegen den Strich gebürstet werden. Die Idee, dass jeder Mensch wichtig ist, und das Problem die sozialen Hierarchien dieser (Film-)Welt sind, steht im Fokus.
Symbolismus und Metaphern sind nur die halbe Miete. Leider gelingt es Linnenbaum nicht immer, ihren sich auflehnenden Figuren mehr als ein paar plumpe Denkanstöße mit auf den Weg zu geben. Es sind altbackene, humanistisch-utopische Ideen, die zudem in ein zu aus dem Kontext gerissenes konformes Finale verpackt werden.
Aber auch das haben Filmwelten so an sich. Oft löst sich ein Konflikt wie mit einer willkürlich aus dem Hut gezogenen Lösung auf.

Bewertung: ***