Auf der Suche nach verfilmbaren Vorlagen begibt sich Hollywood gerade in seltsame Gefilde. Nicht Romane, Computerspiele oder Vergnügungspark-Attraktionen sind an der Reihe, sondern Markenprodukte. "Air – Der große Wurf" erzählt die Entstehungsgeschichte des titelgebenden Turnschuhs des US-Konzerns mit dem göttlich-griechischen Namen.
Ihr Werbeträger ist der afroamerikanische Basketball-Superstar Michael Jordan. Hierzulande kann man ihn gedanklich durch einen berühmten, verfilmten Abfahrer mit seinen Rennski ersetzen.
Mitte der 1980er-Jahre, gerade erst am Sprung in die NBA-Liga, wird Jordan als Werbetestimonial heiß umworben. Etwa vom Sponsoring-Talentsucher Sonny (Matt Damon). Doch der muss zuerst Michael Jordans Mama (Viola Davis) überzeugen. Währenddessen ist Vorstand Phil Knight (Ben Affleck) finanziell arg in Bedrängnis.
Die Realität nimmt das Ende der Story vorweg: Knight rangiert heute auf Platz 17 der reichsten Menschen der Welt, Jordan ist Sport-Milliardär. Und die Schuhe sind Sammlerstücke und Kultobjekte im Sinne eines kommerziellen Markenfetischs. Sogar in Spike Lees New Yorker Coolness-Meisterwerk "Do the Right Thing" (1989) bekommen sie eine eigene Szene, als ein weißer Nachbar die weißen Air Jordans des afroamerikanischen Protagonisten beschmutzt. Jordans Bedeutung für das schwarze Amerika wird in "Air" in einigen Dialogstellen seiner Mutter gestreift.
Wie eine Marke zur Heldengeschichte mutiert
Der Film verdeutlicht, dass in den USA auch ein rein wirtschaftlicher Erfolg bzw. die Geburt einer Marke zur Heldengeschichte taugt. Denn: Der für viele US-Bürger ausgeträumte amerikanische Traum ist im Grunde ökonomisch. Nicht nur "Air", sondern auch "Tetris" auf Apple TV oder der auf der Berlinale uraufgeführte Smartphone-Thriller "Blackberry" zelebrieren das Produkt-Biopic als neues Genre. Die Brautwerbung um Michael Jordan ist eine unerhörte Glorifizierung des Marketings. Was als Prämisse obszön kommerziell klingt, funktioniert als Film erstaunlich gut.
Das liegt einerseits an der herrlichen Retro-Patina der wieder angesagten 1980er, andererseits ist Regisseur Ben Affleck ein guter Handwerker. Seit "Good Will Hunting" (Drehbuchoscar für ihn und Matt Damon) macht er nicht nur vor der Kamera eine gute Figur. 2013 folgte der Oscar in der Königsklasse bester Film für seinen Film "Argo". Sein neues Werk lebt von der Leichtigkeit der Figuren innerhalb eines absurden, aber ernsten Szenarios. "Air – Der große Wurf" macht erstaunlich viel Spaß – ganz ohne Turnschuh-Konsumzwang.
Marian Wilhelm