Mehr zu unserem Film der Woche, Kristoffer Borglis böser Satire "Sick of myself", finden Sie hier.
"Der vermessene Mensch"
Bewertung: ****
Einst war Deutschland eine der größten Kolonialmächte der Erde. Für die Bewohner des heutigen Namibia war es eine Zeit der Unterdrückung und des Genozids. Lars Kraume erzählt die Geschichte, angesiedelt im Fin de Siècle, anhand eines Ethnologen (Leonard Scheicher), der in die Kolonie reist, um die Einwohner zu "studieren". Eigentlich stiehlt er Schädel und Kulturgüter im Namen der Wissenschaft, während das Militär die Menschen in die Wüste treibt. Die Anklage gegen die oft als mit weißer Weste perzipierte Wissenschaft und den Völkermord im Namen einer absurden Eugenik-Idee geht unter die Haut und hält sich visuell nicht zurück. Peter Simonischek glänzt in kleiner Rolle als herzloser Uni-Professor. (SG)
"Lars Eidinger - Sein oder nicht sein"
Bewertung: ***
Dieser Mann verlangt die volle Aufmerksamkeit: Reiner Holzemer porträtiert mit der großspurig betitelten Doku "Lars Eidinger – Sein oder nicht sein" den deutschen Film- und Theaterstar, der mit Netflix-Filmen wie "White Noise" auf dem Karrieresprung in die USA ist. Das Publikum wird Zeuge der "Jedermann"-Proben in Salzburg mitsamt Auszucker vor dem Team, beim Zweifeln in Interviews auf der Auto-Rückbank oder von Lobeshymnen von Stars wie Isabelle Huppert oder Juliette Binoche. Nuanciertes Porträt über Lars Eidinger, den Schauspielstar, DJ und Fotografen, der betont, in der Kunst zu Hause zu sein. Ein Zustand, der mit steten Zweifeln, der Suche nach Emotionalität und Selbstreflexion einhergeht. (JS)
"John Wick: Kapitel 4"
Bewertung: ****
Actionballett der Extraklasse: Um die Mörder seines Hundes zu beseitigen, wollte es der pensionierte Killer John Wick (Keanu Reeves in Höchstform) einst noch einmal wissen. Jahre später hält der Rachefeldzug an: In Teil 4 wird der gefürchtete Assassine nun quer über den Globus gejagt, Gesetze der Logik werden in selbstironischer Haltung missachtet. Doch trotz der epochalen Laufzeit von knapp drei Stunden scheint kein Overkill in Sicht. Dem Leitsatz "Größer, schneller, besser" folgt Regisseur Chad Stahelski ohne Ballast: glasklar choreografierte und erfindungsreiche Kampfszenen. (POG)
"Lass mich fliegen"
Bewertung: ****
Ein Plädoyer für Inklusion: Die Hoffnung auf eine Familie, einen Job, ein selbstbestimmtes Leben: All das sind Wunschvorstellungen, welche Raphael, Johanna, Andrea und Magdalena teilen. Bei allen wurden Trisomie 21 diagnostiziert. Die vier lassen sich im Alltag kaum von ihrem Handicap unterkriegen. Regisseurin Evelyne Faye begleitet sie beim Tanzsport, beim Aktivismus und begegnet ihnen ohne bemitleidende Blicke, sondern auf Augenhöhe. Humanes Porträt marginalisierter Menschen, die sich gegen Ausgrenzung und für Inklusion starkmachen. (POG)
"Tagebuch einer Pariser Affäre"
Bewertung: ***
Regisseur Emmanuel Mouret setzt seine Forschungen über die Liebe fort: Alleinerzieherin Charlotte (Sandrine Kiberlain) und Familienvater Simon (Vincent Macaigne) beginnen eine Affäre und versprechen sich: Sex ohne Drama! Doch zur Leidenschaft gesellen sich bald Gefühle, die beide verdrängen. Großes Schauspielkino. Ein Film über die Zärtlichkeit sowie Zerbrechlichkeit der Liebe. (JS)
"Meine Schwester, ihre Hochzeit und ich"
Bewertung: ***
Adrian (Benjamin Laverhne) befürchtet, die Kontrolle über sein Leben zu verlieren, als ihm seine Partnerin ohne Vorwarnung eine Beziehungspause verkündet. Obendrein beauftragt ihn seine Schwester, eine Rede für ihre Hochzeit vorzubereiten. Während er den Gesprächen seiner Familie lauscht, malt sich der Mittdreißiger Horrorszenarien aus. Was für eine Farce! Der Franzose Laurent Tirard verfilmt den Roman "Le Discours" als humorvoll verträumte Charakterstudie mit fantasievoller Aufmachung. (POG)