STERNE UNTER DER STADT
Bewertung: ****

Es ist wie eine Leinwand-Übersetzung des Hashtags #wienliebe. Ein Film, der die Stadt feiert – und die Liebe; mitsamt der Unberechenbarkeit, dem Leid, der Angst. Chris Raibers Debüt ist – seit "Before Sunrise" – die hinreißendste Lovestory aus Wien. Angesiedelt ist "Sterne unter der Stadt" im Untergrund. Nicht in dem der Strizzis, sondern in einer U-Bahn-Station.
Dort, unter der Erde, hat sich der Vater (Harald Windisch) von Alexander (Thomas Prenn) verkrochen, um seiner verstorbenen Frau näher zu sein. Alexander wächst bei seiner Oma (Große Diagonale-Schauspielpreisträgerin Margarethe Tiesel) auf. Sie lehrt ihn, Western-Zitate und die Temperatur zu erfühlen. Als er zehn wird, schwört er, sich nie zu verlieben. Um seinen Vater ab und an zu sehen, heuert er beim U-Bahn-Fundbüro an. Dort erspechtelt er Hutverkäuferin Caro (Verena Altenberger) – und Amors Pfeil trifft. Er zögert, zeichnet ihr ein Comic, das über den Infoscreen flimmert. Caro bittet ihn, sich nicht in sie zu verlieben. Denn sie ist schwer krank. Altenberger ließ für diese Rolle ihre Haare.
Die Liebe hält sich nicht an Vereinbarungen. Bittersüß, tieftraurig und schmalzig folgen wir, einer Erzählstimme zuhörend, den Eigenbrötlern in ein betörend ausstaffiertes Retro-Milieu. Raiber versucht gar nicht erst, den Kitsch zu umschiffen, sondern zuckert noch einmal extra drüber. Achtung, kann Spuren von "Amélie", "La La Land" oder Wes Anderson enthalten. (js)

SONNE UND BETON
Bewertung: ****

In der deutschen Stand-up-Comedy-Szene ist Felix Lobrecht nicht mehr wegzudenken. 2017 stellte er seinen Roman "Sonne und Beton" vor. Dieser war von seiner Kindheit in der von Armut und Gewalt geprägten Plattenbausiedlung Gropiusstadt am Berliner Stadtrand inspiriert. Regisseur David Wnendt legt nun in Zusammenarbeit mit Lobrecht die filmische Adaption vor. Angesiedelt in den 2000ern handelt der Film von den vier Jugendlichen Lukas, Julius, Gino und Sanchez.

Der heiße Sommer in der Siedlung, Sonne und Beton also, setzt ihnen zu, Stress gibt es mit den lokalen Drogendealern, für Nachtklubs und Schwimmbad fehlt das Geld. Das Chaos beginnt. Wnendt und Lobrecht gelingt es, "Sonne und Beton" die nötige Portion Humor ohne Armutsmitleid zu verleihen. Großteils vor Ort gedreht, entwickelt die Gropiusstadt eine eigene Persönlichkeit, wird zum Abenteuerspielplatz und zum sozialen Abgrund. Ein Film, der zeigt: Selbst wenn man nichts hat im Leben, so hat man im Idealfall noch immer einander. (sg)

CREED III
Bewertung: ***

Wer hätte 1976 gedacht, dass das Kampfsport-Universum um Rocky fast 50 Jahre existiert? 2015 übergab Sylvester Stallone die Boxhandschuhe. Adonis Creed steigt zum dritten Mal in den Ring – erstmals ohne den Mentor. Regie führt Hauptdarsteller Michael B. Jordan, der auch hinter der Kamera kein Leichtgewicht ist. Die Begegnung mit einem Freund (Jonathan Majors) lässt den Weltmeister in Erinnerungen schwelgen. Alte Bekannte, intensive Kampfszenen, Trainingsmontagen ohne Ende: Das "Rocky"-Spin-Off spult das gewohnte Programm ab, aber mit inszenatorischer Finesse und kraftvollem Ensemble. Nicht immer muss das Rad neu erfunden werden. (pog)



STAMS
Bewertung: ***

Mikaela Shiffrin also. Der US-Skistar ist eingangs im Semester in einem Motivationsvideo zu sehen. Sie und viele andere Sportlerinnen und Sportler sind Vorbilder für den heimischen Ski-Nachwuchs in der Kaderschmiede Stams. Filmemacher Bernhard Braunstein hat die Mädchen und Buben ein Jahr für die Doku "Stams" begleitet. Das Publikum erlebt lauter Coming-of-Age-Geschichten, sieht den Jungen beim Schwitzen, Lachen, Leiden, Siegen, Verlieren, Verletzte, Trainieren zu. Ruhig und unkommentiert beobachtet er die Kraftanstrengung in einem brutalen Leistungssystem. Der Pfarrer beim Schulgottesdienst bringt es auf den Punkt: "Nach der Würde sind alle Menschen gleich, aber nicht nach den Talenten." (js)

TÁR
Bewertung: *****
Schauspielstar Cate Blanchett spielt im intensiven #MeToo-Drama "Tár" eine Chefdirigentin und Täterin. Todd Field orchestriert eine Eskalation. Ein verstörender Film, der genau deswegen so reizvoll ist. Lesen Sie hier eine ausführliche Kritik zu unserem Film der Woche.