Wann haben Sie beschlossen, dass Sie Ihr Leben filmisch bearbeiten?
MARKO DORINGER: Der Startpunkt meiner filmischen Karriere war der Kinofilm "Mein halbes Leben". Bis dahin hatte ich eher kürzere Dokumentarfilme gemacht. Es war für mich immer klar, dass ich für meine Geschichten reale Personen und reale Lebensgeschichten brauche. Ich hatte Schwierigkeiten damit, diese Privatheit zu veröffentlichen. Der Gedanke war: Mach das, was du selbst mit dir tun würdest! So bin ich zum Schluss gekommen, es zumindest einmal mit mir selbst zu probieren – also meine Lebensgeschichte der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Darum ist dieser Film "Mein halbes Leben" entstanden, der erfolgreich war und daraus hat sich eine Serie entwickelt mit "Nägel mit Köpfen" und nun "Mein Wenn und Aber".
Auch Ihre Partnerin, Ihre Eltern und ihre Tochter kommen darin vor. Ist das für Sie jetzt noch vorstellbar, jemals anders Filme zu machen?
Ein vierter Teil ist gerade im Fertigwerden. Der hat den Titel "Dein Leben, mein Leben". Es stimmt, ich bin in eine Schiene hineingerutscht und darauf fokussiert, autobiografisch zu arbeiten. Es gibt immer wieder Überlegungen, filmisch in eine andere Richtung zu gehen.
Wie viel Recherche steckt in den Themen Vaterschaft, Burnout und Work-Life-Balance drinnen?
Die größte Recherche zu meinen Filmen ist mein eigenes Leben. Meine Filme sind teils autobiografisch, nicht nur mein Leben kommt vor, sondern auch jenes von anderen Personen, die repräsentativ für meine Generation sein sollen. Ich bearbeite immer Themen, die für mein eigenes Leben wichtig sind und gerade in dieser Lebensphase sehr zentral sind. Das ist der Ausgangspunkt.
Wie kann man sich so eine Recherche bei Ihnen und Ihrem Leben vorstellen? Ist das ein Wühlen in Fotoaufnahmen, Dokumenten und Erinnerungsnotizen?
Die Themen sind für mich so persönlich wie bei "Mein halbes Leben". Dieses Mal war es das Burnout, das ich nach "Nägel mit Köpfen" hatte. Dieses Burnout hat mich auf die Frage zurückgeworfen: Warum haben die Themen Beruf und Arbeit sowie Erfolg in der Arbeit für mein Leben so einen hohen Stellenwert hat, bis ich selbst krank werde, weil ich mich damit so abarbeite? Die Recherche ist die Lebenserfahrung und die Frage: Warum ist das jetzt so? Dann forsche ich nach, gehe in meine Generation hinaus und schaue, wie es andere aus meiner Altersgruppe machen. Für den Film ist es wichtig, dass man nicht nur spannende Einzelgeschichten hat, sondern dass sich die Geschichten ergänzen und ein dramaturgisch abgerundetes Bild ergeben.
Wie kann man sich das praktisch vorstellen: Wann läuft die Kamera bei Ihnen zu Hause mit?
Eine der Schwierigkeiten beim autobiografischen Arbeiten ist, dass man Termine, die man für sich selbst ausmacht, leichter verschiebt als mit anderen. Wenn ich nach Taiwan fliegen muss, weil ein Protagonist dorthin gezogen ist, dann gibt es einen Hin- und Rückflug und dazwischen wird gedreht.
Existieren Zwiegespräche zwischen Ihrem autobiografischen Ich und dem Regisseur?
Das ist so verschmolzen, dass es kaum zu trennen ist. Es ist schon so, dass ich in meiner Beziehung Gespräche, in denen es um große oder kleine Probleme geht, aufhebe, bis wir drehfertig sind.
Ihre Tochter, die im Film ein Baby ist, ist nun sieben Jahre alt geworden. Sie fragen eingangs im Film: Geht sich ein Kind überhaupt aus? Rückblickend betrachtet: Geht es sich aus? Wie hat sich Ihr Leben durch Ihr Vatersein verändert?
Das ist eine persönliche Frage, mit Antworten darauf bin ich immer sehr vorsichtig, weil man von einem Filmemacher erwartet, dass er relativ allgemeingültige Antworten gibt. In dem Fall kann ich also nur für mich selbst sprechen. Meine Vaterwerdung und meine Tochter sind für mich eine irrsinnige Bereicherung und ein Glück. Das heißt aber nicht, dass man nicht auch ohne Kind glücklich sein kann. Ein Kind ist kein Muss, es hat viele schöne Seiten, aber es natürlich auch eine Belastung. Für mich ist es unterm Strich eine sehr wertvolle Erfahrung.
Im Film sieht man auch veränderte Vaterrollen über die Generationen hinweg. Ihr Vater kommt auch vor, Sie reden mit ihm sehr viel über abwesende Väter. Wie erleben Sie das jetzt in Ihrer Generation? Ist die Anteilnahme vieler Väter am Kinder- und Familienleben nun stärker?
Ein wichtiges Thema in unserer Generation ist die Emanzipation, nicht nur jene der Frauen, sondern auch jene der Männer. Ich will nicht nur arbeiten, merke aber, dass alte Vaterrollen ganz tief in mir drinnen stecken. Auch aufgrund der Muster, die mir mein Vater als Vorbild vorgelegt hat. Es ist irrsinnig schwierig, aus diesen alten Rollenbildern auszubrechen. Das ist für mich auch Emanzipation, dass der Mann für die Familie da sein kann, darf und will. Für mich ist das eine irrsinnige Bereicherung, privat und familiär leben zu dürfen.
Inwieweit geht die Geschichte weiter?
Der nächste Film ist so gut wie am Fertigwerden. Wir arbeiten jetzt gerade am Nachspann und an den Untertiteln und da geht es um transgenerationale Traumatisierung. Also das, was Generationen untereinander weitergeben. Im Konkreten bei meiner Geschichte, wie das Kriegstrauma meines Großvaters bis heute in mein Leben bzw. in meine Generation hineinspielt.
Typisch für Ihre Filme sind die ironischen und humorvollen Einschübe und Kommentare aus dem Off. Wie wichtig ist für Sie Humor bzw. Ironie beim Filmemachen?
Für mich sind Humor und Unterhaltung ein zentraler Teil eines Kinofilms. Es sind 90 Minuten und ich will meinem Publikum etwas mitgeben. Ich will keine Antworten geben, denn dafür sind die Fragen, die ich im Film stelle, viel zu universell. Ich will zum Nachdenken anregen, das Publikum aber auch zum Schmunzeln bringen. Wenn man den Kinosaal verlässt, soll man sich unterhalten fühlen, aber vielleicht beim Bier danach oder am nächsten Tag mit ein paar Gedanken, die man mitbekommen hat, auseinandersetzen.
Spricht dieser Film Ihrer Beobachtung nach gleichsam Männer wie Frauen an?
Witzigerweise bekomme ich immer wieder die Rückmeldung, dass Frauen von meinen Filmen sehr angesprochen sind. Obwohl es Männer-Filme sind. Ich bin der Regisseur, der Produzent, der Kameramann, Haupt-Protagonist und der Film ist aus meiner männlichen Sicht. Ich glaube, dass es das für Frauen nicht minder spannend ist, denn es geht bei meinen Filmen an die private und persönliche Substanz. Es ist selten, dass sich Männer vor der Kamera öffnen und ihr Gefühlsleben preisgeben. Deswegen ist es für das weibliche Publikum oft spannend, hinter die männlichen Fassaden zu blicken.