Von einem glücklichen Leben erzählt "Emily" nicht, wohl aber von einem intensiven: Emily Brontë hat ihren einzigen Roman "Sturmhöhe" vor etwa 175 Jahren geschrieben. Kurz darauf starb sie mit nur 30 Jahren. Nun erweckt die britisch-australische Regisseurin Frances O'Connor die Autorin in ihrem intensiven Biopic wieder zum Leben. Dabei nimmt sie sich auf Basis der wenigen biografischen Informationen über die mittlere der drei Brontë-Schwestern Freiheiten.
Wie Emily selbst muss auch ihr Filmporträt innerhalb der begrenzten Möglichkeiten des Genres einen eigenen Weg finden. Die oberflächliche Frage nach historischer Akkuratesse beantwortet die Filmemacherin mit Kostümen und den Namen der Figuren. Auch die Drehorte entsprechen dem nordenglischen Lebensmittelpunkt der Brontë-Familie in Haworth, West Yorkshire. Unter dieser faktischen Oberfläche geht es dem Film vor allem um eine innere Landschaft, die ebenso karg wie wild ist; gebremst durch die Unfreiheit als Frau zu jener Zeit.
Emily gilt als "die Seltsame" der Familie, die sich unter Fremden schwertut und deshalb zu Hause bei ihrem strengen Pastoren-Vater festsitzt. Dort bekommt sie eine protestantische Erziehung samt Französisch-Unterricht. Zu ihrem Lehrer wird der Hilfspastor William Weightman. Bei ihm beginnt die Fiktionalisierung. Aus der Abneigung der beiden wird eine leidenschaftliche Affäre. Auch wenn die vielen Kostüm-Schichten den Beischlaf erschweren, wird Sex hier nicht verschämt-romantisch angedeutet. Ihr Französisch verbessere sich sehr, schreibt Emily an ihre Schwester. Der Film macht einiges, um die heimliche Beziehung nicht romantisch zu verkitschen, die markante Musik von Abel Korzeniowski unterstützt das.
In Großbritannien wurde das Buch in einer Umfrage zur "besten Liebesgeschichte aller Zeiten" gewählt. Erzählt wird von einer dunklen, brutalen Passion. Im Film gibt die großartige Hauptdarstellerin Emma Mackey ihrer Emily ein inneres Feuer, das heftig brennt und sich nicht erst an einem Mann entzündet. Das lässt die Figuren um sie eindimensional erscheinen, mit Ausnahme ihres seelenverwandten Künstler-Bruders Branwell ("Dunkirk"-Star Fionn Whitehead). Schwester Charlotte (Alexandra Dowling), Autorin von "Jane Eyre", wird nur als brave Lehrerin skizziert.
Auf den Erklärtext verzichtet die Regisseurin nach langen 130 Minuten interessanterweise. Wer nichts über Emily Brontë weiß, kann es selbst nachlesen. Doch das ist eher eine Frage für Literaturhistorie-Interessierte als fürs Kinopublikum.
Bewertung: ***
Marian Wilhelm