WHITE NOISE
Bewertung: ****
„White Noise“ ist die Adaption des als unverfilmbar geltenden postmodernen Romans von Don DeLillo aus dem Jahr 1985. Noah Baumbach hat mit dieser dichten Vorlage nun einen erstaunlich lockeren, eigenwillig-komödiantischen Katastrophenfilm gedreht. Ausgangspunkt ist eine Krise, die zwangsläufig an die Covid-Pandemie erinnert. Das Elternpaar Babette (Greta Gerwig) und Jack (Adam Driver) muss mitsamt den vier Kindern flüchten. Doch die bedrohliche, mutmaßlich giftige Wolke ist auch eine Todes-Metapher. Baumbach inszeniert seine dunkle Komödie textlastig und filmisch stark. Mit Referenzen auf Katastrophenfilme und farbig-opulenter 1980er-Nostalgie konstruiert er eine bitterböse Farce, die über weite Strecken intellektuell fordernd unterhalten kann. Und: Themen wie Apokalypse, Konsum, Angstlust und Tod entfalten gerade wieder kräftig Resonanz. Im Wiener Gartenbaukino sowie im Grazer Rechbauerkino. (maw)
DER RÄUBER HOTZENPLOTZ
Bewertung: ****
Als der Räuber Hotzenplotz die Kaffeemühle der Großmutter stiehlt, lassen sich Kasperl und Seppel auf eine Verfolgungsjagd ein. Der Beginn eines Abenteuers, das Generationen an Kindern das Lesen gelehrt hat. Als hätte man die Titelfigur eigens auf ihn zugeschnitten, setzt Nicholas Ofczarek den liebenswerten Kinderbuchschurken in Szene. Manchmal ruppig, manchmal patschert, aber immer so, wie es sich gehört: Originalgetreu mit Pfefferpistole, Rauschebart und mangelnder Mundhygiene. Als hätte er Franz Josef Tripps Illustrationen aus den 1960er-Jahren zum Leben erweckt, ist Regisseur Michael Krummenacher ganz großes Kinderkino gelungen. (kf)
NINJABABY
Bewertung: ****
Fallen will gelernt sein – im Sport wie im Leben. „Fallteknikk“ heißt ein preisgekrönter Graphic Novel der Norwegerin Inga Husby Sætre. Regisseurin Yngvild Sve Flikke holt das Ninjababy, wie die 23-jährige Rakel das Baby in ihrem Bauch nennt, aus der Comic-Vorlage in ihren großartigen Film – als kleines gezeichnetes Wesen. Weil sie schon im sechsten Monat ist, kommt eine Abteibung nicht mehr in Frage. Also überlegt Rakel, was ihre Optionen für die ungeplante Schwangerschaft sind. Es führt hitzige Zwiegespräche mit seiner Erzeugerin. Es möchte von Angelina Jolie adoptiert werden und ärgert sich über die Gene des Vaters. Energiegeladene Coming-of-Age-Story. (maw)
NELLY & NADINE
Bewertung: ****
Heiliger Abend 1944: Im berüchtigten Frauenkonzentrationslager Ravensbrück zieht die Stimmgewalt der inhaftierten Opernsängerin Nelly Mousset-Vos einige Blicke auf sich - besonders jene der Chinesin Nadine Hwang. Das ist der Beginn einer Romanze, die glatt einem Hollywood-Drehbuch entspringen könnte. Im 21. Jahrhundert führt Nellys Enkelin Sylvie Bianchi ein vergleichsweise überschaubares Farmleben in Nordfrankreich. Private Details aus der Vergangenheit ihrer Großmutter waren für sie lange Zeit tabu. In Begleitung von Regisseur Magnus Gertten sammelte Bianchi Fotoalben, Briefe und andere Versatzstücke, mit Hilfe derer die bewegende, Jahrzehnte umfassende Liebesgeschichte dokumentarisch rekonstruiert wurde. Ein bemerkenswertes Zeitdokument, das frei von Pathos die unbändige Kraft der Liebe zelebriert, die selbst Wunden des Krieges zu heilen vermag. (pog)
AFRICAN QUEEN
Bewertung: *****
Stürmisches Romantik-Abenteuer: „African Queen“ ist ein Abenteuerfilm aus dem Jahr 1951, also der Goldenen Zeit Hollywoods. Doch auch nach gut 70 Jahren wirkt er noch frisch und unterhaltsam. Und das liegt vor allem auch an seinen beiden Stars. Die Chemie der vierfachen Oscargewinnerin Katharine Hepburn und Humphrey Bogart, der dafür seinen einzigen Oscar gewann, ist phänomenal. Die Story rund um eine Reise auf einem Fluss mit dem titelgebenden Dampfschiff während des Zweiten Weltkriegs ist die Mutter aller Hassliebe-Romanzen. Gegensätzlichkeit und Abneigung werden zu spielerisch-knisternder Romantik zwischen dem unrasierten, trinkfesten Kapitän Charlie Allnut und der selbstbewussten Missionarin Rose Sayer, die bald das Steuer übernimmt: "Mr. Allnut?". "Yes, miss." In wunderbar buntem Technicolor unter der Ägide des eigenwilligen Handwerksmeisters John Huston gedreht und noch Teil des fruchtbaren Studiosystems, ist "African Queen" ein zeitlos-abenteuerliches Filmvergnügen. Gute Fahrt!
Am Sonntag u.a. um 14 Uhr im KizRoyalkino Graz. (maw)