Nach „Die Dohnal“ porträtieren Sie mit dem Kinofilm „Alice Schwarzer“ eine weitere Ikone des Feminismus. Warum sie?
SABINE DERFLINGER: Die Bekanntschaft hat sich durch den „Dohnal“-Film ergeben, später haben wir uns besser kennengelernt. Alice Schwarzer war für mich in meiner Jugend genauso ein Begriff wie Johanna Dohnal. Sie war immer im Fernsehen, präsent. Dann habe ich alle ihre Bücher gelesen, die mag ich am allermeisten.
Im Gegensatz zu Johanna Dohnal konnte Alice Schwarzer noch befragt werden. Stimmte sie dem Projekt gleich zu?
Grundsätzlich muss es ein Vertrauen und ein Einverständnis geben. Und Menschen, die sagen, man soll den Film machen. Bei Johanna waren es die Freunde bzw. die Lebenspartnerin, die erst Vertrauen fassen mussten. Eine schillernde Person wie Alice Schwarzer ist herausfordernder. Sie ist eine, die in ihrem Leben immer alles kontrolliert hat. Die Kontrolle abzugeben, war nicht einfach für sie. Aber ich domptiere niemanden. Die Menschen haben die Freiheit, sich zu zeigen, wie sie möchten.
Was war Ihre Intention?
Mir war es wichtig, Alice als Mensch sichtbar zu machen – immer in Zusammenhang mit ihrer Arbeit. Sie musste nicht überredet werden. Sie empfand es als schön, dass es eine filmische Aufarbeitung gibt.
War es ein Vorteil, dass Sie aus Österreich stammen?
Ich denke sie war froh darüber. Denn sie ist als Person ja Projektionsfläche für alle und alles. Es ist fast so, als hätte jede und jeder seine eigene Schwarzer. Wenn man einen Film über sie macht, wird man daran gemessen, ob dieser zum eigenen Bild von Alice Schwarzer passt oder nicht. Ich habe da keine Befindlichkeiten. Ich kannte das Werk, die Frau und habe versucht, das auch für künftige Generationen, die sich nicht in diesem Idealisierungs- oder Abwertungswahn befinden, nachvollziehbar zu machen.
Welche Feministin werden Sie als Nächstes porträtieren?
Ich mache keine Doku mehr über Feministinnen, sondern wieder Spielfilme, auch Fernsehfilme. Ich habe mich jetzt am Feminismus abgearbeitet.
Teilen Sie grundsätzlich die Haltungen von Alice Schwarzer?
Im Prinzip, ja. Intellektuell betrachtet, gibt es viele Dinge, die man differenziert betrachten kann. Praktisch betrachtet ist es aber nach wie vor so, dass die Mehrzahl der Frauen auf diesem Planeten allein wegen ihres Frauseins benachteiligt ist. Mit all ihnen ist Solidarität notwendig. Es ist immer eine Frage der Verhältnismäßigkeit: Worüber wird diskutiert? Wie? Und bleibt das nur in intellektuellen Zirkeln hängen?
Orten Sie ein Schwarz-Weiß-Denken im Feminismus?
Ja, und mir tut das wahnsinnig leid, dass sich die Frauen nicht zusammensetzen. Zerstreuen sie sich, werden sie über den Tisch gezogen, weil die Welt von anderen Motoren betrieben wird, während sich die Frauen zu Tode diskutieren. Kriege und die Klimakatastrophe sind Ausdruck eines patriarchalen Systems. Wenn sich Frauen nicht solidarisieren und schauen, dass sie etwas weiterbringen, sondern sich lieber an Begrifflichkeiten abarbeiten und weiter diskutieren, ist das Wahnsinn. In Afghanistan ging es ratzfatz und die Frauen waren verschwunden. Wo sind die Riesen-Demos dagegen? Man muss immer alles besprechen, aber in einer Offenkundigkeit ohne Erregungszustand.
Bei unserem letzten Interview sagten Sie, es seien die letzten Zuckungen des Patriarchats? Und was sagen Sie nun?
Es ist jetzt wirklich an der Zeit, dass diese neue Zeit beginnt.