In Linz kreuzen sich europäische Filmpfade. Dort fand bis zum Montag das Crossing Europe Filmfestival statt, zum mittlerweile 19. Mal und heuer unter neuer Leitung. Sabine Gebetsroither und Katharina Riedler starteten mit ihrer ersten Ausgabe in den Filmfrühling und präsentieren insgesamt 148 Filme aus 34 Ländern. Am Sonntag wurden die Preise in Form von Glaskugeln vergeben. Eine davon ging bei der Überreichung gleich zu Bruch; für Abergläubische vielleicht ein Glücksomen für die Festival-Zukunft des neuen Leitungs-Duos. Crossing Europe habe 2022 über eine "einigermaßen solide finanzielle Ausstattung" verfügt, dennoch seien vor allem coronabedingt Mehrkosten angefallen. Die Festivalleiterinnen pochen darauf, dass eine kontinuierliche Valorisierung der Förderbeträge unbedingt notwendig sei, um die jährlich steigenden Kosten – auch im Zusammenhang mit Fair Pay, Digitalisierung und "grüner" Festivalarbeit – decken zu können. 

Vier Jury- und ein Publikumspreis zeichneten europäische Spiel- und Dokumentarfilme, sowie oberösterreichische Local Artists aus. Der Spielfilm-Hauptpreis ging dabei an den polnischen Film CICHA ZIEMIA / SILENT LAND von Aga Woszczyńska. Das Beziehungsdrama auf den Spuren von Michael Haneke sei laut Jury "ein beeindruckendes, subtiles Debüt, das alle Möglichkeiten des Kinos auskostet".

Der Publikumspreis geht passenderweise an einen der Festivalfilme, die auch einen österreichischen Verleih und Kinostart haben, und das bereits direkt nach dem Festival. Der belgische Film UN MONDE | PLAYGROUND von Laura Wandel ist ab nächster Woche beispielsweise im KIZ Royal zu sehen, u.a. im Wiener Stadtkino bereits ab dieser Woche. Das empfindsame Porträt zweier Geschwister im Kindesalter zeichnet den Weg im sozialen Umfeld einer neuen Schule nach.

Der Dokumentarfilmpreis des Festivals trägt den Titel "Social Awareness Award" und wurde just am 1. Mai an den Film TVORNICE RADNICIMA / FACTORY TO THE WORKERS von Srđan Kovačević verliehen – ein Umstand, den die Jury nicht unerwähnt ließ und die Preisträger zu einem Solidarität-Aufruf nützten. Die "Langzeitbeobachtung des Überlebenskampfs einer kroatischen Fabrik" begleitet die Entscheidungsprozesse der Arbeitenden in ihrem Eigentum stehenden Werkzeugfabrik.

Einzigartig: die Jugendschiene

Am meisten freuten sich jedoch die beiden Filmemachenden des Jugendjury-Gewinners YOUTH TOPIA, Regisseur Dennis Stormer und Co-Autorin Marisa Meier. Die Jugendschiene des Festivals wird nicht nur von jungen Linzern kuratiert; auch den Preis wählt eine Jugendlichen-Jury aus. Die schweizerisch-deutsche Koproduktion erzählt von einer Gruppe junger Erwachsener, die im Jugendmodus weiterleben und noch nicht in das Erwachsenenleben wechseln wollen.

Weitere Preise der oberösterreichischen Local Artists Reihe gingen an STORIES FROM THE SEA (Jola Wieczorek), HOLLYWOOD (Leni Gruber, Alex Reinberg) und das beeindruckende Musikvideo I ACCEPT - NNELLA (Alexander Au Yeong, Nadja Bodlak).

Für alle, die nicht in Linz waren: Das Festival führt sein Corona-Online-Angebot "CrossingEurope@Home" auch nach dem wieder regulär abgehaltenen Festival 2022 fort, mit einer Auswahl aktueller Filme im KINO VOD CLUB, sowie früheren Festivalhighlights auf Filmfriend.at

Außerdem ist das Linzer Festival gleich diese Woche zweifach in Wien zu Gast, auch wenn dabei leider nicht die Siegerfilme präsentiert werden. Einmal im Wiener Filmmuseum mit einer eigenen Auswahl von unterschiedlichen Werken, darunter der minimalistische "Para:dies" von Julia Windischbauer und Elena Wolff.

Und einmal mit den Filmen der Nachtsicht-Reihe, die in Kooperation mit dem /Slash ½ im Filmcasino kuratiert und dort von 5. bis 7. Mai nochmals gezeigt werden, darunter etwa die italienische Zirkus-Großproduktion "Freaks Out" vom Filmfestival Venedig oder die französische Veganismus-Metzger-Kannibalen-Komödie "Barbaque | Some Like it Rar", sowie einem Film des diesjährigen CrossingEurope-Tribute-Ehrengastes Fabrice Du Welz, "Inexorable".