Der in China geborene, in Weiz aufgewachsene und in Wien lebende Regisseur C. B. Yi feierte in Saarbrücken einen Triumph mit "Moneyboys": Er kann sich neben neben der Trophäe für den besten Spielfilm auch über den Drehbuchpreis und jenen der ökumenischen Jury freuen. Der Schüler von Michael Haneke nimmt in seinem in Cannes uraufgeführten Werk, das derzeit in unseren Kinos läuft, die männliche Prostitution in China als Ausgangspunkt für ein Liebesdrama.
Und auch der zweite heimische Beitrag im Wettbewerb, Elena Wolffs "Para:dies", blieb nicht ohne Meriten. Wolff zeigt in "Para:dies" ein lesbisches Paar - das sie neben Julia Windischbauer selbst spielt -, das von einer Dokumentarfilmerin begleitet wird, was das gesamte Beziehungsgefüge verändert. Für ihre Leistung wurde nun Windischbauer als bester Schauspielnachwuchs geehrt.
Die Ehrung für Julia Kent und Jola Wieczorek für die Musik zum Dokumentarfilm "Stories from the Sea" sowie die Kür von Magdalena Chmielewskas "Lullaby" zum besten Kurzfilm runden die rot-weiß-rote Gewinnerliste ab. Der zweite große Gewinner des Abends neben C.B. Yi war indes der Schweizer Regisseur Lorenz Merz, der mit seinem Coming-of-Age-Rausch "Soul of a Beast" als bester Regisseur geehrt wurde und sich über den Preis der Filmkritik freuen kann, während sein Hauptdarsteller Pablo Caprez als bester Schauspielnachwuchs die Jury überzeugte.
Insgesamt wurden beim seit 16. Jänner stattfindenden Max Ophüls Preis, der als Kaderschmiede des jungen deutschsprachigen Films gilt, 80 Filme gezeigt. Das ausgeschüttete Preisgeld betrug dabei insgesamt 118.500 Euro, von denen alleine 36.000 Euro auf den Hauptpreis entfallen. Vergeben wurde dieser Geldsegen wie schon im Vorjahr pandemiebedingt online.
Das Festival selbst wurde heuer allerdings in hybrider Form abgehalten - live in acht Kinos im Saarland und digital übertragen. Gezeigt wurde das MOP-Programm nicht nur in den Kinosälen mit 50 Prozent Besucherkapazität und unter 2G-plus-Regel, sondern in der Mehrheit auch als Streaming-Angebot.
Interview
Hier das Interview, das wir mit C. B. Yi bei der Präsentation seines Filmes in Österreich führten. Von Julia Schafferhofer
Moneyboys nennt man in China junge Männer, die sich prostituieren. Wie kamen Sie für Ihren Kinodebütfilm auf dieses Thema?
C. B. YI: Während meines Studiums in Peking habe ich einige dieser Moneyboys kennengelernt. Darunter war auch ein Freund, der mir sehr nahestand. Ich bin immer tiefer in das Thema eingetaucht und habe erfahren, wie viele männliche Sexarbeiter es in China gibt. In meinen Recherchen bin ich auf einen Gelehrten getroffen, der die Geschichten von mehr als 2000 Sexarbeitern niedergeschrieben hatte.
Ein Thema, das sich durch alle Gesellschaftsschichten zieht?
C. B. YI: Interessanterweise ja. Der Film war ein langwieriger Prozess, die Recherchen schwierig. Denn: Prostitution ist in China nicht nur verboten, sondern auch eine Schande. Und insofern ist auch alles, was mit Prostitution zu tun hat, verboten. Der Film erzählt viel mehr: „Moneyboys“ ist ein Coming-of-Age-Drama, eine Emanzipationsgeschichte sowie eine universelle Lovestory. Er könnte überall spielen. Der Film stellt die Frage: Wie weit geht jemand, um sich für seine Familie, seine Community oder für sein Land zu opfern? Obwohl die Person weiß, dass sie ausgenutzt wird. Fei wird vom Gesetz und von der Familie verachtet, weil er sich prostituiert. Seine Selbstaufopferung wird nicht anerkannt, weil er aus der Ordnung der Gesellschaft und seiner Familie herausfällt. Er sucht Anerkennung und Liebe von denjenigen, die ihn ablehnen, und lädt alle Probleme auf sich. Das Thema lautet „Selbstakzeptanz“ und appelliert an alle Feis dieser Welt, den Mut aufzubringen, um sich selbst zu achten und zu lieben. In den Recherchen habe ich herausgefunden, dass 70 Prozent der Stricher gar nicht homosexuell sind.
War es eine große Ehre, dass Ihr Debüt und Diplomfilm „Moneyboys“ gleich nach Cannes eingeladen wurde?
C. B. YI: Es war mein Ziel, dass mein erster Film idealerweise in Cannes läuft, um damit mehr Resonanz zu erreichen. Ich habe immer daran geglaubt, dass ich es schaffen kann. Bis zur Fertigstellung brauchte der Film acht Jahre. Dort, in Cannes, den ersten Satz zu sagen und den Film zu präsentieren, war Wahnsinn. Danach, zurück in Wien, wollte ich den Film in erster Linie meinem Professor Michael Haneke und meinen Kolleginnen und Kollegen sowie meinen Freunden zeigen. Bei der Viennale waren auch Freunde aus meiner Teenager-Zeit aus Weiz da. Ich hatte sie großteils jahrelang nicht gesehen. Die letzten acht Jahre konnte ich auch nicht behaupten, dass ich ein Regisseur bin. Sie zur Österreich-Premiere einzuladen, war schön.
So einen Film konnten Sie nicht in China drehen, sondern mussten auf Taiwan ausweichen. Gab es irgendwelche Reaktionen von staatlicher Seite?
C. B. YI: Zum Glück bin ich dafür nicht bekannt genug und der Film auch nicht politisch genug. LOL. In Taiwan war es leichter. Während des Drehs wurde ein Gesetz verabschiedet, dass queere Menschen heiraten dürfen. Taipeh ist eine Mischung aus Tokio und China. Es ist eher friedvoll und sehr kultiviert, ich habe gern dort gedreht. Das Team war toll. Wir mussten uns einiges überlegen; welche öffentlichen Orte wir im Film nicht zeigen können, da Straßenschilder zum Beispiel anders sind als am Festland und man dort auf der linken Seite der Straße fährt. Aber: Der Film zeigt nicht nur die Realität, es geht auch nicht nur um Unterhaltung, sondern um das Kreieren von Atmosphäre. Dass das Publikum zur Imagination angeregt wird, dass Emotion erzeugt wird. Und dazu kommt, dass Filmemachen natürlich auch ein bisschen Glück ist.
„Parasite“, „Nomadland“, das Marvel-Abenteuer „Shang-Chi“: Asiatische Filmemacher und Filmemacherinnen, Superhelden oder Geschichten der Diaspora sind in den letzten Jahren immer präsenter geworden. Ist das ein Vorteil für Sie, der beide Welten kennt?
C. B. YI: Während meines Studiums habe ich mir fast alles angeschaut: japanische und chinesische und auch europäische Filme. Von Michael Haneke habe ich tolle Regisseure kennengelernt, die mich geprägt haben. Ich bin ein eher visueller Mensch und habe erfahren, dass ich mit filmischer Sprache besser umgehen kann als mit der gesprochenen Sprache. Ich finde es super, dass das Asiatische vermehrt in den Westen reinschwappt: mit Geschichten und Schauspielstars. Und dass asiatische Filmemacher weltweit in den Fokus rücken. Es ist aber auch ein Ansporn für mich, meine eigene Sprache zu entwickeln, um meine Geschichten zu erzählen. So wie meine Herkunft und meine Lebensumstände als Migrant es vorgelegt haben, bin ich sozialisiert von verschiedenen Kulturen. Auch filmisch fühle ich mich überall zu Hause. Mein Vorteil ist, dass ich die europäische Kultur einigermaßen kenne und die chinesische Kultur auch – wenn auch nicht ganz. Deswegen bin ich ein guter Beobachter beider Welten.