Auf jedem Festival wird auf mindestens einen solchen Film im Wettbewerb gewartet. Auf das Meisterwerk, das von der Kritik geliebt wird. Auf das ganz große Werk, an dem die Jury nicht vorbei kommt und auf das man in der diesjährigen Löwen-Konkurrenz in Venedig zur Halbzeit noch warten muss. In der spanischen Komödie „Competencia Oficial“ der beiden Argentinier Gastón Duprat und Mariano Cohn geht es genau um solch einen Film – oder zumindest das Vorhaben, ihn zu erschaffen. Die Idee dazu hat ein 80-jähriger, schwer reicher Pharmaindustrieller, als er überlegt, für was er mal erinnert werden wird. Soll vielleicht eine Brücke nach ihm benannt werden? Nein! Ein Film soll es sein! „Ich will nur das Beste“, sagt er. Also kauft er die Rechte an einem Bestseller und will ihn hochkarätig verfilmen lassen. Auftritt Penélope Cruz: als exzentrische Regisseurin Lola in goldener Hose und mit einer roten Lockenmähne wie Cher in den 90ern. Sie soll die geplante Geschichte mit zwei Ausnahmedarstellern auf die Leinwand bringen. Antonio Banderas spielt Felix, den mit Golden Globes und anderen Preisen dekorierten Hollywoodstar. Oscar Martińez hingegen gibt den anspruchsvollen Schauspieler mit viel Theatererfahrung, der auf seinen Gegenpart immer etwas herunterschaut.

In dieser ego-explosiven Konstellation lässt „Competencia Oficial“ die Eitelkeiten und Befindlichkeiten aufeinanderrasseln, während die drei für die Dreharbeiten proben. Dabei gibt der Film die komischen Antworten, die man bei Interviews so normalerweise niemals bekäme auf die langweilige Standardfrage, wie denn eigentlich die Zusammenarbeit so war. Es ist vielleicht nicht richtig bissig, aber über weite Strecken äußerst amüsant, wie mit dem lustvollen Schauspiel-Trio die Filmbranche und die Eigenarten ihrer Protagonisten aufs Korn genommen werden. In mancherlei Hinsicht spiegelt er so den Kosmos von Filmfestivals – nicht zuletzt, weil Cruz, Banderas und Martńez nach Ende der Vorführung auch persönlich in Venedig in der Pressekonferenz saßen und den ohnehin hohen Glamourfaktor der ersten Tage noch einmal ansteigen ließen. „Der Film ist ein Tribut an unseren Beruf. Bei den Dreharbeiten haben wir sehr viel gelacht“, erklärte Cruz, bevor auch ihre männlichen Schauspielpartner bestätigten, wie viel Spaß die Zusammenarbeit war.

Der ganz große Wurf als Satire aufs Filmbusiness ist „Competencia Oficial“, was übersetzt „offizieller Wettbewerb“ heißt, letztlich aber doch nicht geworden. Dazu dreht er sich in der zweiten Hälfte zu sehr im Kreis und bringt keine frischen Ideen mehr, um noch einmal dynamisch heraus zu drehen. Ironischerweise wäre er so wohl außer Konkurrenz doch besser aufgehoben gewesen.

Zimmer als Zeitmaschine

In Edgar Wrights „Last Night in Soho“ hingegen ging es in der zweiten Hälfte erst richtig los. Zunächst beginnt alles ganz harmlos, ganz retro-beschwingt. Als die junge Eloise (Thomasin McKenzie) mit großen Hoffnungen und Träumen nach London aufbricht, um Modedesign zu studieren, hat sie ganz nostalgisch die Swinging Sixties im Kopf – die Zeit, als James Bonds „Thunderball“ in die Kinos und Petula Clarks „Downtown“ aus der Jukebox kam. Als sie in das Apartment einer alten Dame in Soho zieht, wird das Zimmer zur Zeitreisemaschine. Nacht für Nacht landet sie in dem Londoner Amüsierbezirk in ihrem favorisierten Jahrzehnt.

Mit knackiger Inszenierung übernimmt Wright („Baby Driver“) diesen Retroblick und schwelgt immer wieder in der Mode, dem Stil, der Musik und reißt diese hübsche Fassade schließlich mit vielen überraschenden Wendungen wieder ein. Denn langsam entpuppt sich „Last Night in Soho“ als Genrefilm: erst als Thriller mit anspringenden Schockmomenten, der sich um den Mord an der angehenden Sängerin Sandie (Anya Taylor-Joy aus „Das Damen-Gambit“) dreht, die in den 60ern von ihrem „Manager“ zur Prostitution gezwungen wird. Auf den letzten Metern dann häutet er sich sogar zum blutigen Rache-Horror dieser Frau, die es den Männern heimzahlt, an die sie sich verkaufen musste. Das war sicher nicht für den Wettbewerb, aber beste Unterhaltung außer Konkurrenz.