Auf „Dune“ schien bislang so etwas wie ein Fluch zu liegen – zumindest, wenn es um die Verfilmung von Frank Herberts Sci-Fi-Romanklassiker ging. Alejandro Jodorowsky gehörte in den 70ern zu den Regisseuren, die es erfolglos versucht haben. Meistersurrealist David Lynch hingegen brachte einen Film zustande, scheiterte damit aber künstlerisch und kommerziell und mag den Film bis heute selber nicht. Jetzt hat Regisseur Denis Villeneuve die Herausforderung gesucht. Schließlich hatte er schon bei „Blade Runner“ das Unerwartete, ein starkes Sequel, geschafft. Was sollte da jetzt mit „Dune“, der nun in Venedig seine Premiere feierte, noch schiefgehen? Die Erwartungen, die sich aufgebaut haben, waren gewaltig und wurden noch einmal verstärkt durch die pandemie-bedingte Verzögerung.
Dass es sich auf dem Festival zumindest um das größte Spektakel dieses Jahrgangs handelte, war schon vor der ersten Vorführung deutlich: Die Schlangen vor den Security-Checks und den Kinos waren länger als sonst, und die Handys, eine ungewöhnliche Maßnahme auf den Filmfestspielen, mussten in Plastiktütchen versiegelt werden. In zweieinhalb mobiltelefonlosen Stunden nahm „Dune“ dann die Leinwand ein, um im Jahr 10191 von einem kommenden Erlöser, rivalisierenden Herrscherhäusern und einer Schlacht um den heiß begehrten Rohstoff Spice auf dem Wüstenplaneten Arrakis zu erzählen.
Dabei ist Villeneuve auch mit dieser Adaption einmal mehr eines gelungen: Unter den (Bilder-)Schlachten des Hollywood’schen Spektakelkinos ist „Dune“ über weite Strecken ein visuelles und traumatmosphärisches Blockbusterkunstwerk. Der Regisseur macht dabei in jedem Moment sichtbar, dass zig Millionen Dollar in diesem Projekt stecken – von den wuchtigen Effekten bis zu den epischen Wüstenlandschaften. Von den gängigen Kino-Geldmaschinen wie denen aus dem Marvel-Universum hebt sich „Dune“ daher bei aller herkömmlichen Gut-Böse-Dualität wohltuend ab. Es gibt hier weder lustige Sidekicks, noch steuert bei allem sichtbaren Aufwand hier alles auf den großen, effekthascherischen Showdown zum Finale zu.
Dafür ist die Besetzung hochkarätig mit Charlotte Rampling, Javier Bardem, Josh Brolin und Stellan Skarsgard. Und in der Hauptrolle als Paul Atreides ist Timothée Chalamet zu sehen, der in Venedig für Fanschreie sorgte, die schon von Weitem zu hören waren. Im Film gibt der Jungstar den Thronfolger, der seine Erlöser-Bestimmung erst finden muss, und macht seine Sache sehr ordentlich – muss aber ohnehin nur, wenn er nicht mit Kämpfen beschäftigt ist, mit bedeutungsvoller Mine unter dem Wuschelkopf ernst gucken.
„Das ist nur der Anfang“, sagt Darstellerin Zendaya zum Schluss. Dazu muss das Spektakel zwar erst einmal das passende Einspielergebnis liefern. Villeneuve aber ist in der Reihe gescheiterter Verfilmungen mit seiner Adaption jetzt bereits selber zum Erlöser geworden.
Ebenfalls um Erlösung ging es im Wettbewerbsfilm „Spencer“. Genauer: um Princess Diana, geborene Spencer, die vor ziemlich genau 24. Jahren starb. Im Kinodrama sucht sie Erlösung und einen Weg, aus ihrer unglücklichen Ehe, dem Korsett des Adelsalltags und ihrem öffentlichen Leben auszubrechen, durch das sie von den Fotografen gejagt wird. Regisseur Pablo Larraín, der sich nach „Jackie“ über Präsidentschaftsgattin Jackie Kennedy erneut mit der Biografie einer berühmten Frau beschäftigt, greift dafür drei Tage aus ihrem Leben. „Spencer“, zu großen Teilen in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen gedreht, folgt Lady Di durch das Weihnachtsfest 1991 mit den Royals, an dessen Ende sie eine wichtige Entscheidung für ihr Leben trifft.
Für den Regisseur ist es die Grundlage eines Psychogramms, das durch die jazzig dissonante Filmmusik mitunter so aufgekratzt ist wie die verstörte, überforderte, von Fotografen gejagte Hauptfigur. „Ich wollte einen Film machen, den meine Mutter mögen würde“, erklärte Larraín in Venedig und hat sich gefragt. „Wie konnte jemand, der verbunden ist mit den Royals, so normal sein? Je länger ich nachgeforscht habe, desto geheimnisvoller wurde sie.“
Verkörpert wird Diana von Kristen Stewart, die bei der Pressekonferenz in Venedig als einzige Begleitung neben dem Regisseur Larraín saß. „Diana fühlte sich so schlecht und war trotzdem so großzügig mit ihren Gefühlen – damit stach sie heraus“, sagte die Hollywood-Schauspielerin („Twilight“), der in „Spencer“ so gut wie jede Szene gehört. Mit den blonden Haare und den markanten Wangenknochen hat sie zwar überraschender Weise bisweilen eine gewisse Ähnlichkeit mit Lady Di. Ganz schultern kann sie diese Rolle aber letztlich nicht ganz. Bei allem Gefühlstaumel bleiben ihre schauspielerischen Posen und Bewegungen zu oft sichtbar. „Es geht mir nicht gut“, schreit sie irgendwann heraus und reißt sich die teure Perlenkette wie eine Fessel vom Hals, bevor es ihr gelingt, sich endlich zu befreien. Viel Neues hat „Spencer“ über den Weg dahin und über Di an sich allerdings kaum zu erzählen.
Sascha Rettig