Wie sie da beim APA-Interview gemeinsam auf der Couch in der Präsidentensuite eines Innenstadthotels von Cannes sitzen, wirken sie wie das neue Traumpaar des internationalen Films. Der Deutsche Franz Rogowski (35) und der Österreicher Georg Friedrich (54), beide noch in ihrem stylishen Premieren-Outfit - Rogowski in weißer Hose und bunt bemaltem weiten Hemd, Friedrich in hellbraunem Nadelstreif mit Anzugweste -, gehen ebenso respekt- wie liebevoll miteinander um.
In dem Film "Die Große Freiheit" des österreichischen Regisseurs Sebastian Meise, der am Donnerstag in der Reihe "Un Certain Regard" seine akklamierte Premiere feierte, verkörpern die beiden Schauspieler zwei Männer, die im Gefängnis große Zuneigung füreinander entwickeln. Zwischen Hans, der wegen seiner Homosexualität immer wieder aufs Neue bestraft wird (Rogowski), und dem drogensüchtigen Viktor, offenbar wegen Mordes hinter Gittern, entsteht eine tiefe, von Sehnsucht nach Nähe und Zärtlichkeit geprägte Beziehung, die stark mit den widrigen, ja menschenverachtenden Zuständen kontrastiert. Es ist der erste gemeinsame Film der beiden mehrfach ausgezeichneten Schauspieler.
"Ich habe mich extrem auf diese Zusammenarbeit gefreut", sagt Georg Friedrich. Der Wiener, der mit Michael Haneke und Ulrich Seidl gedreht hat, war ebenso wie Rogowski am Anfang seiner Karriere "Shooting Star" der Berliner Filmfestspiele und wurde dort 2017 für den Vater-Sohn-Roadtrip "Helle Nächte" mit dem Silbernen Bären als bester Darsteller ausgezeichnet. "Mir ging es genauso. Ich kannte Georg nur von der Leinwand. Meist sind es dann gemischte Gefühle, wenn man einem Partner das erste Mal begegnet, und manchmal legt man sich auch schon eine kleine Strategie zurecht. Aber in dem Fall war es echte Liebe", gibt Rogowski zurück. Für die in einem Großmarkt spielende Liebesgeschichte "In den Gängen" (mit Sandra Hüller) war er mit dem Deutschen Filmpreis als Bester Hauptdarsteller ausgezeichnet worden, im ungewöhnlichen Liebesdrama "Undine" beeindruckte er an der Seite von Paula Beer. Beide setzen durch "Die große Freiheit" ihren Karrieren ein neues Glanzlicht auf.
Wie war es, diesmal eine gleichgeschlechtliche Liebesgeschichte zu spielen? "Es ist sicher anders, alleine schon dadurch, dass es anders konnotiert ist und einen anderen Stellenwert hat. Ich versuche immer, keine Orientierung oder einen Berufsstand zu spielen. Ich kann keinen Polizisten spielen, sondern nur einen Menschen, der halt Polizist ist. So kann ich auch keine schwule Liebe spielen, sondern nur lieben als Mensch. Ob es eine Frau ist oder ein Mann - das Hauptproblem ist es, diese Gefühle hinzukriegen", sagt Rogowski. "Man spielt ja nie mit seinem Liebespartner, sondern hat immer einen Arbeitskollegen, auf den man eine Liebe projiziert, die man woanders herholt, etwa aus Erinnerungen", so Friedrich. "Dabei ist es immer angenehmer, wenn man einen Partner hat, den man wirklich schätzt und mag."
Ungewöhnliche Dreharbeiten
Die Dreharbeiten waren ungewöhnlich. Einerseits drehte man fast die ganze Zeit an derselben Location, einem aufgelassenen DDR-Gefängnis ("Wir hatten zwei Zellen", erzählt Friedrich schmunzelnd, "in der einen haben wir gedreht und in der anderen geraucht."), andererseits gab es auch etliche körperliche Herausforderungen. Friedrich musste etwa in der Maske stets aufs Neue seine eigene Tätowierung überdeckt und eine Vielzahl anderer Tattoos aufgeschminkt werden: "Ich bin jeden Tag zwei Stunden in der Maske gesessen." Rogowski, der in einer der drei, einen Zeitraum von 24 Jahren umfassenden Zeitebenen aus dem KZ kommt, musste für diese Szenen 12 Kilo abnehmen: "Dafür habe ich acht Wochen mehr oder weniger gehungert - und das gleich zweimal, weil die Dreharbeiten durch Corona unterbrochen wurden."
"Angst vor dem Unbekannten"
So selbstverständlich für beide das sich gänzliche Einlassen auf den Partner war, so neu war für sie die Erfahrung mit der langen, auch gesetzlichen Diskriminierung und Bestrafung der Homosexualität in unserer Gesellschaft. Sie stammten beide aus einem liberalen Elternhaus, in dem Homosexualität akzeptiert, aber auch nie groß thematisiert worden sei, erzählen sie. Allerdings sei gleichzeitig eine gewisse "Angst vor dem Unbekannten" spürbar gewesen. Diskriminierung sei weiterhin alltäglich. "Man darf sich nichts vormachen. Außerhalb unserer kleinen Blase von Arthouse-Filmemachern sieht das gleich ganz anders aus", sagt Rogowski.
Doch nicht nur dieser Blase, auch dem österreichischen Film bleibt er treu: Schon im August stellt er seinen nächsten Film im Wettbewerb von Locarno vor. In "Luzifer" von Peter Brunner spielt er einen Kaspar Hauser-artigen Mann mit dem Gemüt eines Kindes, der mit seinem Adler und seiner strenggläubigen Mutter in einer Almhütte lebt und diese Abgeschiedenheit gegen die drohende touristische Erschließung mit allen Mitteln verteidigen will. Das Plakat ist schon einmal eindrucksvoll, es zeigt den nackten Protagonisten, wie er gerade im Nebel in einen Bergsee eintaucht. "Der österreichische Film hat meinen nackten Hintern entdeckt", feixt Rogowski, als er das Plakatsujet am Smartphone zeigt.
Vorerst genießen die beiden Schauspieler aber ihre gelungene gemeinsame Premiere in Cannes. "Ich habe den fertigen Film hier das erste Mal gesehen", sagt Georg Friedrich. "Hier, vor diesem eigentlich sehr kritischen, weil aus der Branche kommenden Publikum: Das war schon etwas Besonderes." - "In Cannes wurde ja über so viele Jahrzehnte mitentschieden, welche Filme eine Perspektive haben dürfen", ergänzt Rogowski. "Schon deshalb ist es toll für uns, hier zu sein."
Wolfgang Huber-Lang/APA