Gleich fünf Mal ist Regisseurin Emerald Fennells Rache-Satire „Promising Young Woman“ für einen Oscar nominiert. Darunter auch in der Kategorie beste Hauptdarstellerin: Carey Mulligan (35) spielt eine junge Frau, die sich an missbräuchlichen Männern rächt. Unser Interview findet virtuell statt. Die Britin sitzt im Musikzimmer ihres Mannes Marcus Mumford, denn „Es ist der einzige Ort, wo mich die Kinder nicht finden und ich in Ruhe arbeiten kann.“


Die Handlung von „Promising Young Woman“ behandelt das Schicksal einer jungen Frau und deren bester Freundin.
Carey Mulligan: Das Thema Sexualverbrechen ist x-Mal verfilmt worden, aber die #MeToo- Bewegung bewirkt, dass wir eine neue Perspektive bringen und damit etwas zur Bewusstseinsbildung beitragen. „Promising Young Woman“ hinterfragt die Grauzonen und das Subversive in unserer Gesellschaft. Das Drama nimmt sich der posttraumatischen Auswirkungen auf einen Menschen an, der dem Opfer nahestand. Cassie will das Verbrechen an ihrer besten Freundin Nina nicht vergessen. Sie kann weder vergeben noch loslassen. Ihr Modus operandi hat daher mehr mit Liebe als mit Rache zu tun. Cassie lebt in der Vergangenheit, was sich auch darin manifestiert, dass sie mit 30 immer noch bei ihren Eltern lebt und auch keinerlei berufliche Ambitionen verspürt. Dass wir das im Film authentisch vermitteln können, verdanken wir den unzähligen mutigen Frauenberichten, die durch die #MeToo- Bewegung an die Öffentlichkeit gekommen sind.


Welche Änderungen sind Ihnen im künstlerischen Bereich seit der #MeToo-Bewegung aufgefallen?
Bei meinem letzten Engagement am Royal Court Theater (für „Boys & Girls“) wurde uns am ersten Probentag ein fünfseitiges Dokument über Verhaltensregeln am Arbeitsplatz zur Unterzeichnung vorgelegt – ein konkreter Schritt in die richtige Richtung. Aufarbeitung ist entscheidend sowie Diskussionen in Gang halten. Sexuellem Missbrauch vorbeugen durch Verständnis, Einsicht und Reflexion.


Für Ihre Darbietung in „Promising Young Woman“ sind Sie für den Oscar als beste Hauptdarstellerin nominiert.
Besonders freue ich mich für Drehbuchautorin, Regisseurin und Co-Produzentin Emerald Fennell. Der Film wurde mit einem Mini-Budget in nur 23 Tagen abgedreht. Seit der Corona-Pandemie fällt unabhängigen Filmen die Finanzierung noch schwerer. Wenn ein Indie-Film wie „Promising Young Woman“ Anklang findet, dann, weil er den Zeitgeist trifft. Für mich ist ein Film gelungen, wenn er Gesprächsstoff liefert. Ich bin überzeugt, vielen Kinobesuchern geht es da gleich wie mir.


Wie der Filmtitel „Promising Young Woman“ verrät, geht es um eine junge Frau, in die große Hoffnungen gesetzt wurden. Cassies Eltern sind besorgt um die Zukunft ihrer Tochter. Wie besorgt waren Ihre Eltern, als Sie sich entschieden, Schauspielerin zu werden?
Meine Eltern waren berechtigterweise sehr besorgt, weil die Chancen, als Schauspielerin erfolgreich zu werden, sehr gering sind. Dazu kam, dass von den 93 Schülern in meiner Altersklasse 90 weiter auf die Uni gingen. Das hätten auch meine Eltern gern gesehen. Stattdessen wollte ich meinen Lebenstraum verfolgen. Ich hatte die volle Unterstützung meiner Eltern, als ich in der Jane Austen Verfilmung „Stolz und Vorurteil“ (2005) mein Filmdebüt lieferte.


Das ist ein Riesenglück, denn ohne familiären Rückhalt würde ich meiner Arbeit nicht nachgehen können.
Sie spielen nicht nur die Hauptrolle, sondern sind als Executive Producer gelistet. Sehen Sie Ihre Zukunft mehr hinter der Kamera?
Ich habe für mich aus der Erfahrung gelernt, dass ich nur Produzentin sein möchte, wenn ich nicht vor der Kamera stehe. Ich bin Vollblutschauspielerin und liebe das Geheimnisvolle an meinem Beruf. Das beginnt schon mit der ersten E-Mail-Anfrage zu einer Rolle. Kommt die E-Mail von jemand, mit dem ich immer schon gern arbeiten wollte? Als Produzentin ist man in alle organisatorischen Details und administrativen Abwicklungen eingebunden. Der Blick hinter die Kulissen ist interessant, nimmt aber den Zauber weg. Das möchte ich nicht eintauschen.


Ihre nächste Rolle ist Felicia Montealegre in der biografischen Verfilmung „Maestro“.
Dass ich die große Liebe von Leonard Bernstein porträtieren darf, ist eine enorme Ehre. Die Kinder des Ehepaars haben mir viel über ihre Eltern erzählt, ich lerne eifrig Spanisch und setze mich mit der chilenischen Kultur auseinander. Leonard Bernstein wird von Bradley Cooper dargestellt, der auch Regie führt. Bradley halte ich für einen brillanten Regisseur und ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihm.