Das vorige Jahr war ein gutes Jahr für Vanessa Kirby. Die britische Schauspielerin war beim Filmfestival in Venedig gleich in zwei Filmen im Wettbewerb zu sehen: in Mona Vasolds Historienfilm „The World to Come“ über eine Liebe zwischen Frauen sowie im Netflix-Drama „Pieces of a Woman“ des ungarischen Regisseurs Kornél Mundruczó. Für Letzteres wurde sie am Lido prompt als beste Darstellerin ausgezeichnet – gleich mit ihrer allerersten Filmhauptrolle.
Die 32-Jährige beeindruckt darin als Frau, die sich für eine Hausgeburt entschieden hat und dabei eine Fehlgeburt erleidet. In der intensiv rauen, oscarreifen 30-minütigen Geburtsszene eingangs, die in einer einzigen Einstellung zwischen Wohnzimmer, Bad und Schlafzimmer gedreht wurde, geht Kirby an die Grenzen des Zumutbaren: So wahrhaftig hat man den Vorgang des Gebärens wahrscheinlich noch nie im Kino gesehen.
Im Hochglanz-Portfolio des Streamingriesen Netflix, wo das Drama abrufbar ist, auch nicht. Kirby lässt ihre Figur der Martha schreien, stöhnen, rülpsen, verkrampfen und vor Angst erstarren. Kurz dürfen sie und ihr Partner (Shia LaBeouf) ihr Baby in den Armen halten, bevor es stirbt.
Ein furioser Einstieg, der auch vom Publikum viel abverlangt. Zur Vorbereitung hat Kirby, die selbst keine Kinder hat, nicht nur mit Hebammen und Müttern geredet, sondern war bei der Geburt einer Frau auch live dabei – acht Stunden lang. Außerdem habe sie die Tabuisierung des Themas von Kindesverlust, Fehl- und Totgeburten interessiert. „Die Dringlichkeit, mit der dieser Film daran etwas ändern will, hat mich beeindruckt“, sagte Kirby in einem Interview mit der „Zeit“.
Dabei war ihr Einstieg ins Filmbusiness alles andere als eine gmahte Wiesn: Weil mehrere Schauspielschulen sie ablehnten, studierte die Britin zunächst Englisch, bevor ihre Bühnenkarriere in Manchester begann. Nach mehreren Theaterrollen am Londoner West End und diversen Auftritten in Fernsehproduktionen gelang ihr der Durchbruch als Prinzessin Margaret in den ersten beiden Staffeln des Netflix-Hits „The Crown“, wo sie mit ihrer Leidenschaft die pflichtbewusste Schwester, Queen Elizabeth II., an den Rand der Verzweiflung treibt.
Daraufhin wurde sie als Waffenschieberin White Widow in „Mission: Impossible – Fallout“ und gleich für zwei weitere Teile engagiert. Episode sieben ist für 2021 angekündigt. Dieses Jahr wird also auch kein schlechtes Jahr werden für die Frau, die mit kleinsten, irritierenden Blicken einen Plot auserzählen kann.