He’s a mensch!“, sagt Regisseur David Fincher – der im amerikanischen Englisch verwendete Ausdruck stammt aus dem Jiddischen und bezeichnet einen ehrenwerten Menschen – über den Helden seines neuen Films „Mank“. Im Interview mit Ben Mankiewicz zeigt sich Fincher fasziniert von dessen berühmtem Drehbuchautoren-Großvater Herman „Mank“ Mankiewicz, „der mit seiner großen Fähigkeit und seinen persönlichen Problemen ringt und seinen Stein den Berg hinaufrollt.“

Doch „Mank“ ist kein gewöhnliches Biopic. Es ist auch kein bloßes Psychogramm dieses Autors. Vielmehr widmet sich Fincher darin dem Schreibprozess des legendärsten Films des klassischen Hollywoods, „Citizen Kane“. Fast 80 Jahre nach dessen Premiere fügt er den Legenden um die Entstehung ein neues Kapitel hinzu. Erklärt wird dabei wenig. Wer die vielen Referenzen an die Historie Hollywoods erkennt, hat deutlich mehr von „Mank“. Fincher vollendet damit zugleich seine eigene Familiengeschichte, stammt das Drehbuch zu „Mank“ doch von seinem Journalisten-Vater Jack Fincher. Der hatte sich bis zu seinem Tod 2003 dem Streit zwischen Herman Mankiewicz und Regisseur Orson Welles um die oscarprämierte Autorenschaft des Drehbuchs gewidmet.

Wie könnte es anders sein, schlug er sich dabei auf die Seite des Autors. Dabei holte er sich Inspiration bei der berühmten Filmkritikerin Pauline Kael und ihrem Essay „Raising Kane“. Die hatte schon in den 70ern die filmhistorisch nicht gänzlich haltbare These vertreten, dass Mankiewicz das alleinige Genie hinter dem Drehbuch gewesen sei. Ihr immens aufschlussreicher Ausflug in die Goldene Zeit Hollywoods, kurz nach dem Aufkommen des Tonfilms, enthält u. a. eine wichtige Botschaft: Autoren und Autorinnen werden damals wie heute viel zu wenig wertgeschätzt – eine unter Cinephilen und Regisseuren immer noch gültige Botschaft.


Der singuläre Studio-Autorenfilm Citizen Kane rangiert seit seinem neuerlichen Erscheinen in den 1950ern ganz oben in den Bestenlisten. Mindestens jedoch ist es der innovativste amerikanische Film, dessen Einfluss noch in Finchers eigenen Filmen spürbar ist. Wunderkind Orson Welles verwehrte sich gegen den Titel „bester Film aller Zeiten“ für sein Debüt: „Ich würde alles daran ändern“, soll er gesagt haben.


„Citizen Kane“ ist auch der Mythos des Scheiterns – seines Protagonisten Kane, dessen realer Vorlage William Randolph Hearst, des politisch brandaktuellen Populisten, der die wenig schmeichelhafte Referenz mit allen Mitteln verhindern wollte. Und von Herman Mankiewicz selbst, der dafür seinen einzigen Oscar bekam. Gary Oldman hat nun in „Mank“ sichtlich Spaß an dieser Titelrolle als dauerbetrunkener Autor. Der Film ist eine unterhaltsame, einigermaßen geradlinige Hommage auf allen Ebenen, nostalgisch bis hin zu sanftem Schwarz-Weiß-Bild, Mono-Ton und Musik. Aber ohne das großartige, selbstverliebte Nachstellen von „La La Land“ oder Tarantinos „Once upon a Time in ... Hollywood“

Der düstere Perfektionist Fincher, als Regisseur so anders als die wilden Genies Mank und Welles, wird damit zum Favoriten des Oscar-Jahrganges 2020. Mit einem Blick zurück in die Blütezeit Hollywoods, ausgerechnet im dunkelsten Jahr der Kinogeschichte und mithilfe von Konkurrent Netflix. Diese selbstironische Realitätsflucht hätte Mank mit Sicherheit gefallen.

Wie Hollywood damals tickte

Citizen Kane - Ein Meilenstein von einem Film

„Citizen Kane“ von 1941 gilt als einer der besten Filme aller Zeiten. Mit seinem Debüt revolutionierte Orson Welles das Kino in puncto Spezialeffekte, Erzählstruktur, Kamera, Ton, Schnitt. Erzählt wird vom Aufstieg und Fall des Immobilientycoons Charles Foster Kane, basierend auf dem Medienmogul William Randolph Hearst.

Die Konkurrenten ums Drehbuch

Orson Welles - Das Wunderkind

Er prägte das Kino wie kaum ein anderer: der Schauspieler, Autor, Radiomacher, Regisseur und Enfant Terrible Orson Welles (1915–1985). Er führte ein abenteuerliches Leben, trat in mehr als 70 Filmen (u. a. „Othello“, „Der dritte Mann“) auf, um seine eigenen Filme zu finanzieren, sein Oeuvre umfasst zwölf Werke. Oft waren seine Projekte von Pech verfolgt.

Herman Mankiewiecz - Die Schlüsselfigur

Er galt lange Zeit als „der lustigste Mann New Yorks“: Herman Jacob Mankiewiecz (1897– 1953). Der Kritiker und Drehbuchautor glänzte durch satirischen, dialoggetriebenen Humor. Er arbeitete u. a. für Paramount und MGM an vielen Drehbüchern mit, nicht bei allen mit Credit: u. a. „Laughter“ Der große Wurf“, „Der Zauberer von Oz“, „Dinner at Eight“.

William Randolph Hearst - Der Drahtzieher

Er war nicht nur einer der einflussreichsten Journalisten, sondern auch einer der reichsten Männer der US-Geschichte: William Randolph Hearst (1863–1951). In den 1940ern besaß er u. a. 25 Tages-, 24 Wochenzeitungen, zwölf Radiosender und ein Filmstudio.
Hearst galt als Vorbild für „Citizen Kane“, er legte dem Film viele Steine in den Weg.

Amanda Seyfried als Marion Davies
Amanda Seyfried als Marion Davies © Netflix

Marion Davies - Der Star und die Geliebte

Man könnte sie als berühmteste Geliebte des vorigen Jahrhunderts bezeichnen: Marion Davies (1897–1961), die in „Mank“ hinreißend von Amanda Seyfried verkörpert wird. Medienmogul William Randolph Herast verliebte sich in sie, als er sie auf einer Bühne sah. Als Geliebte hielt sie „Pops“ 34 Jahre lang die Treue. Er machte sie zum Star, sie wirkte in mehr als 40 Filmen mit, u. a. „Es tut sich was in Hollywood“, „The Patsy“.

The Big Five - Die mächtigen Studiobosse

Die Goldene Ära Hollywoods der 1930er bis 1950er war ein exklusiver Club der mächtigen Studiobosse der „Big Five“: Louis B. Mayer (MGM), Jack L. Warner (Warner Bros.), Adolph Zukor (Paramount) oder Darryl F. Zanuck (20th Century Fox) und Joseph P. Kennedy (RKO). Bei ihnen lag die Alleinmacht, dazu gab es Knebelverträge, Massenware und Star-System.