Wie ein surrealer Film oder ein Traum habe sich das vergangene Jahr angefühlt, sagt Greta Thunberg als Einstieg in ,ihren’ Porträtfilm, während sie mit einer Segelyacht den Atlantik überquert. Die Doku „I am Greta“ ist jedoch überaus realistisch und echt. Regisseur Nathan Grossman lässt die berühmte Klima-Kämpferin ihre eigene Geschichte erzählen. Im sicheren Voice-Over ihrer Muttersprache Schwedisch erzählt sie über sich selbst, abseits der englischen Reden zur Lage des Planeten.
„Ich bin nicht gesellig. Ich wurde nie zu Partys eingeladen. Ich mag Routinen.“ Der Aktivismus hilft ihr sichtlich, ihre Rolle im Leben zu finden. Ihr Asperger-Autismus wird dabei zu ihrer größten Stärke, mit detailverliebter Sturheit. Es macht die Jugendliche aber auch auf ganz andere Weise verwundbar für den enormen Rummel um sie herum. Mit den unerfüllbaren Erwartungen an die Leitfigur einer weltweiten Bewegung kommt auch Ablehnung und Hass bis hin zu Morddrohungen.
Klima-Wissenschaft und pointierte Kommunikation beherrscht Greta Thunberg besser als die meisten Politiker, die mit ihr posieren, weil ihre Sorge echt ist. Nahe an seiner Protagonistin, hat der Film den Anspruch die persönliche Seite der bereits bekannten öffentlichen Figur zu zeigen. Mit einigen Home-Movie-Aufnahmen und Zugang zur Familie abseits der öffentlichen Termine gelingt ihm das auch ohne voyeuristisch zu sein.
Gerade in Zeiten fast ohne Massenveranstaltungen erinnert der Film auch an den notwendigen Protest auf der Straße, mit dem Greta die Öffentlichkeit für ihr Anliegen herstellt. Mit optimistischer Montage zeigt Grossman Impressionen von Gretas Reisen zu den weltweiten Protesten. Aber „I am Greta“ ist über weite Strecken kein vordergründig politischer Film, keine Klima-Doku, sondern das Porträt einer jungen Aktivistin, das bekannten Medienbildern persönliche zur Seite stellt. Denn auch den anderen Aktivistinnen ist klar: „Wir brauchen diese Geschichte, die Du erzählst.“
Marian Wilhelm