Wie fühlt es sich an, wenn die Buchstaben das Laufen lernen, wenn man also zu seinem Kriminalroman die filmische Umsetzung sieht?
FRANZ DOBLER: Es ist ein Schock. In meinem Fall ein Glücksschock. Weil mir die Verfilmung sehr gut gefällt. Das liegt auch daran, dass die Regisseurin und Drehbuchautorin Nina Grosse eine ganz alte Freundin von mir ist. Ich hatte totales Vertrauen. Deshalb gab’s nur diese Art von Überraschung, dass ich als Statist einen Meter neben Murathan Muslu saß.
Er spielt ja im Film einen Ex-Kommissar, der zum Bodyguard abstieg.
DOBLER: Ja, aber er ist mein Geschöpf, quasi. Als er also losbrüllte, und das kann der Wiener Ex-Rapper, da gehst du in Deckung und vergisst, dass es nur ein Film ist. Ich liebe den Mann, also den Schauspieler.
Nun trägt der Roman den Titel „Ein Schlag ins Gesicht“, im Film wurde daraus „Nicht tot zu kriegen“. Warum die Titeländerung?
DOBLER: Da haben die Fernsehchefs wohl auf den Tisch gehauen. Jedenfalls kommt der Titel von einer schönen Stelle im Drehbuch, die es in meinem Roman so nicht gibt. Kommerziell gesehen wäre es für mich natürlich besser, wenn der Film meinen Buchtitel hätte. Ich versuche, damit weiterzuleben.
Beworben wird der Film als Hommage an Iris Berben, die in einer Woche ihren 70. Geburtstag feiert. Fühlen Sie sich da als Autor ein wenig zurückgesetzt?
DOBLER: Gegenüber der in jeder Hinsicht bunten, unglaublich langen und großen Karriere von Iris Berben kann man sich nur zurücksetzen. Das war auch der Kick, der meinen Roman zum Film brachte: dass es ein echtes Special zu ihrem 70. Geburtstag ist. Weil eben ihre echte Geschichte so gut dazu passt.
Also doch ein geglückter Doppelschlag?
DOBLER: Ja. Deswegen hat’s mich umgehauen, als die Meldung kam, dass Iris Berben diesen Film unbedingt machen will. Das ist wirklich Courage. Weil sie täuschend nah an ihr Leben rangeht, und es wird unvermeidlich ein paar Leute geben, die glauben, die Story wäre an ihrem Leben entlang gestrickt worden.
Da spricht wohl ein echter Berben-Fan.
DOBLER: Sicher. Aber, das gehört da dazu, das habe ich in den Tagen, als ich am Set dabei war, gemerkt: Diese Frau, die alle kennen, hat keine Scheu, überall rauszugehen und auf alle Leute zuzugehen. Die kommt überall klar, die kann mit allen, ohne sich zu verbiegen. Die Berben ist vielleicht eine Diva, aber sie hat keinen Dünkel. Sie ist dieser bodenständige Star, an dem ich auch den starken Einsatz gegen Faschismus und Antisemitismus sehr bewundere.
Kleiner Themenwechsel: „Home-Office is killing Outdoor-Entertainment”, heißt es in Ihrem 2016 publizierten Roman. Das klingt ja geradezu prophetisch.
DOBLER: Naja, der Spruch hat nicht nur erst seit jetzt in der Covid-Krise seine Berechtigung. Da können die Film- und Musikleute seit Jahren Lieder davon singen. Und die haben auch jetzt erheblich größere Probleme als die Literaturleute – die allerdings leichter zum Rumjammern neigen, kommt mir so vor.
Wie steht es in der Filmversion mit der Musik. Musikzitate spielen in Ihren Romanen ja auch oft eine markante Rolle?
DOBLER: Nina Grosses Film hat es mit dem Einsatz der Berliner Frauencombo Gurr sehr gut getroffen, die ein paar Songs mit Iris Berben performen. Da sollte man eine Single davon machen. Und Iris Berben tanzt auch mal zu einem Blondie-Hit.
Sie haben, gemeinsam mit Friedrich Ani, Jan Costin Wagner, Simone Buchholz, um nur einige Namen zu nennen, das Krimi-Genre durch enorme thematische und sprachliche Qualität sehr aufgewertet. Mittlerweile ist es salonfähig, von Kriminal-Literatur zu sprechen. Erfüllt Sie das auch ein wenig mit Genugtuung?
DOBLER: Ja, irgendwie schon. Ich hatte immer großen Respekt vor diesem Genre, weil alle meine Heroes es immer auch als gesellschaftspolitische Analyse verstanden haben, und das ist auch das, was mich interessiert. Es ist ein Psychoding: Ich gehe dorthin, wo es wehtut. Wobei ich nicht ohne Humor schreibe, möchte ich behaupten.
Aber bei den Autoren von Provinzkrimis hört sich für Sie jeder Spaß auf.
DOBLER: Diese naive Lockerheit, mit der in Heimatkrimis die Toten rumliegen, ist für mich der Feind, das ist schreiberischer Ballermann, mit diesem Scheiß will ich nichts zu tun haben. Ich habe nicht fast dreißig Jahre geschrieben und die Lektionen von Konrad Bayer bis Doris Gercke aufgesogen, um dann mit gewaltverharmlosenden Krimis ‘ne müde Mark machen zu wollen.
Sie sind in all Ihren Werken sehr sozial- und gesellschaftskritisch. Und ihre Sympathie gilt eindeutig den Außenseitern, den Gestrandeten, den Diskriminierten. Sehen Sie Hoffnung auf Veränderung oder befürchten Sie ein weiteres Abdriften nach rechts?
DOBLER: Ich bin nicht sozialkritisch, weil ich mich dazu verpflichtet fühle. Das ergibt sich aus meiner Geschichte und aus meinem Leben oder meinen Neigungen. Ich glaube, ich bin einer der nicht so vielen deutschen Schriftsteller, die ein bisschen etabliert sind und immer noch mit einem Bein im Underground stehen, und diese Position gefällt mir. Und ich hoffe, ich täusche mich mit meiner Einschätzung, dass wir mit den Rechtsextremen noch viel mehr Probleme bekommen werden.
Werner Krause