Staten Island – die meisten kennen den New Yorker Stadtbezirk wohl nur wegen der Fähre dorthin, die einem kostenlos einen Blick auf die Freiheitsstatue und die Skyline von Manhattan beschert. Viele weilen nur so lange auf der Insel, bis einen die nächste Fähre wieder zurück in die City schippert. Der US-Comedian Pete Davidson ist dort aufgewachsen. Auf der unglamourösen Seite New Yorks. Während einer Interview-Videokonferenz sitzt er im Keller des Hauses seiner Mutter und erinnert sich: „Als Kind in die Stadt zu fahren war wie Jet-Set“, erzählt er. „Es war nicht alltäglich. Wir machten es zu besonderen Anlässen wie im Advent, um den Weihnachtsbaum im Rockefeller Center zu sehen.“


Dem 26-Jährigen ist bislang eine Karriere wie ein Raketenstart geglückt. Er ist regelmäßig in der Show „Saturday Night Live“ zu Gast und klopft dort drastische Sprüche. In Europa kennt man ihn in erster Linie wegen seiner PR-Beziehung – inklusive baldiger Verlobung und Trennung – mit Popstar Ariana Grande eher aus den Klatschspalten. Das wird sich nun ändern.

Szenenbild: Pete Davidson und Bill Burr
Szenenbild: Pete Davidson und Bill Burr © UPI

Denn Pete Davidson hat seine Geschichte für die Leinwand freigegeben und schrieb am Drehbuch zur Tragikomödie „The King of Staten Island“ mit, die ab Donnerstag gleichzeitig in den Kinos und auf Video-on-Demand zum Kaufpreis startet. In den Grundzügen ist es seine Geschichte. „Der Film ist sehr persönlich. Alle Probleme, mit denen sich die Hauptfigur Scott im Film befassen muss, sind Probleme, mit denen ich mich befassen musste“, sagt Davidson. Sein Vater, ein Feuerwehrmann, ist einer von insgesamt 2977 Menschen, die beim Terroranschlag am 9. September 2001 ums Leben kamen. Davidson war damals sieben Jahre alt. „Die Arbeit am Film war eine Therapie für mich. Ich habe das Gefühl, dass mir ein großes Gewicht von meiner Brust genommen wurde.“


Davidson verkörpert den Antihelden Scott. Dieser ist 24, ein Loser mit harter Schale, aber liebenswürdigem Kern, der noch bei seiner Mama wohnt. Er will einmal Tattoo-Künstler mit eigenem Hotel werden, hängt aber aktuell nur mit seinen Freunden rum, kifft und tätowiert neunjährige Buben im Park. Er kämpft mit dem Verlust des Vaters und anderen Dämonen. Ein Bilderbuch-Schwiegersohn ist er keiner. Auch wenn das seine Sandkastenfreundin, mit der er den Status „Friends with Benefits“ pflegt, lange anders sieht. Scott gammelt sich durchs Leben, bis seine Mutter (großartig: Oscarpreisträgerin Marisa Tomei) erneut einen Feuerwehrmann anschleppt, was ihm gar nicht passt und ihn irrational wütend werden lässt. Daraufhin setzt sie ihn vor die Tür. Ab dann beginnt der komische, ehrliche und ausgedehnte Läuterungsprozess – schließlich erzählt der Film auch eine Coming-of-Age-Story. Ist das lustig? Ja, mitunter. Manchmal aber ist es auch nur traurig, depressiv, sentimental oder hoffnungsschwanger. Wie das Leben auch. Und das ist die größte Stärke dieser Tragikomödie.


„The King of Staten Island“ ist auf jeden Fall der bislang beste, weil ernsteste Film von Judd Apatow, der Teenagern in diesem Jahrtausend diktierte, was sie lustig zu finden haben und der Welt als Autor, Regisseur und Produzent Komödien wie „Jungfrau (40), männlich, sucht ...“, „Dating Queen“ oder Fernsehserien wie „Girls“ oder „Love“ schenkte. „Ich hoffe, dass ich Filme mache, die Menschen berühren. Ich versuche dabei nicht über die Regeln von Comedy nachzudenken. Ich glaube nämlich, dass die Komik auf dem OP-Tisch stirbt“, sagte er in der Videokonferenz von Los Angeles aus und verglich das Filmemachen mit Songwriting: „Manchmal hört man ein Lied, das 17 Leute geschrieben haben und fühlt, dass es nur ein Produkt ist, das verkauft werden soll. Und dann hört man jemand anderem zu und weiß, jemand hat das alleine geschrieben und sein Herz ausgeschüttet. Es ist bedeutungsvoll und es berührt dich.“
Und Pete Davidson ergänzt: „Wir wollten die Leute da draußen wissen lassen, dass sie nicht alleine mit ihren Problemen sind. Es gibt ein Licht am Ende des Tunnels.“