Die Klappe ist schon lange nicht mehr gefallen. Seit Mitte März stehen Filmproduktionen wegen der Corona-Pandemie still. „Wenn wir nicht drehen können, verdienen wir und die 100 bis 200 Mitarbeiter pro Film kein Geld. Und je länger wir nicht drehen können, desto bedrohlicher wird es“, sagt Produzent Alexander Glehr von der Film AG Produktions GmbH.
Als Co-Präsident des Produzentenverbandes AAFP traf er Ende vergangener Woche Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek, um zu erörtern, wann und wie Dreharbeiten wieder aufgenommen werden können. „Am allerwichtigsten ist, dass wir eine Ausfallhaftung bekommen, sollte tatsächlich ein Fall von Covid-19 an einem Set auftauchen“, sagt der gebürtige Steirer. Sonst könne es existenzbedrohend werden. Geschätzter Maximalschadensfall: rund 25 Millionen Euro.
Am heutigen 12. Mai hat der Produzentenverband einen Termin im Gesundheitsministerium, es geht um die Maßnahmen an Filmsets: Tests für wichtige künstlerische Positionen wie Regie, Kamera oder Darsteller, getrenntere Arbeitsbereiche am Set und Bedingungen wie bei sogenannten Close-Sets, also kleineren, zeitversetzteren Teams wie sonst beim Dreh heikler Szenen (Nacktaufnahmen). „Wir hoffen, dass wir ab 2. Juni wieder drehen können“, sagt Glehr, der den ORF-Landkrimi „Vier“ unter der Regie von Marie Kreutzer nach wenigen Drehtagen stoppen musste. Weiteres in der Pipeline seiner Firma: der internationale Kinofilm „Alma und Oskar“ sowie ein TV-Film für ServusTV.
Klaus Graf
Auch Klaus Graf musste den Dreh zum nächsten „Zürich Krimi“ abbrechen, als das mit Corona „richtig explodierte: Das ist ein sehr internationales Team und wir haben noch dazu im Unterengadin in der Nähe der Lombardei gedreht. Da waren wir erst einmal froh, dass wir alle gesund nach Hause gebracht haben“, erzählt der Kärntner Filmproduzent. Sechs Filme hat er heuer in der Planung und in Produktion, deshalb wären „klare Richtlinien“ dringend notwendig. Denn „in dem Moment, in dem wir drehen, ist alles sehr teuer.“ Graf ist vorsichtig optimistisch, dass man im Sommer vielleicht wieder drehen kann: „Man könnte ja zum Beispiel alle Mitwirkenden am Beginn der Dreharbeiten testen und dann niemand mehr aufs Set lassen, damit die Nachvollziehbarkeit gegeben ist“, so Graf: „Alle Abteilungen bei uns sich angehalten Pläne zu erstellen, wie man alle Mitarbeiter am besten schützen kann.“ Das Schlimmste wäre jedenfalls, wenn während des Drehs jemand infiziert wäre und man abbrechen müsste: „Dann könnte es existenzbedrohend werden“, so Graf.
Aufgeschoben hat man derzeit den Dreh für die „Toten vom Bodensee“, der für 6. April geplant war, zehn damit beschäftigte Mitarbeiter sind derzeit in Kurzarbeit. Beim „Zürich Krimi“ musste man Leute kündigen, weil es „da in Deutschland noch gar keine Kurzarbeit gegeben hat“, so Graf. Dafür haben die deutschen Sender (ARD, ZDF und auch die Privatsender) bereits angekündigt, die „Produzenten nicht im Regen stehen zu lassen: Sie werden sich mit 50 Prozent an den coronabedingten Mehrkosten beteiligen“, so der Klagenfurter Produzent: „Schließlich brauchen die Sender ja auch neue Filme.“
Statement vom ORF
Im Gegensatz zum ORF, was der Dachverband der Filmschaffenden auch kritisiert. Der ORF zur aktuellen Lage: "Der ORF hält selbstverständlich weiterhin an den TV-Produktionen fest und ist in intensivem Austausch mit seinen Vertragspartnern, um die betroffenen Produktionsfirmen in diesen herausfordernden Zeiten bestmöglich zu unterstützen. Jedes Projekt wird einzeln betrachtet, um individuelle Lösungen der Überbrückung und ehestbaldigen Wiederaufnahme aufstellen zu können. Bei der Realisierung der Produktionen räumt der ORF den Produzenten und Produzentinnen jedenfalls größtmögliche zeitliche Flexibilität ein", heißt es auf Nachfrage der Kleinen Zeitung.
Dieter Pochlatko
Die epo-Film musste den Dreh für die Sat.1.-Koproduktion „Todesurteil“ nach fünf Tagen am 16. März stoppen. Im Sommer wird der Dreh für den Thriller fortgesetzt. Der Drehbeginn für die Grazer Stadtkomödie „Der Freund meiner Tochter“ unter der Regie von Michael Kreihsl mit Aglaia Szyszkowitz und Fritz Karl war für 20. April geplant und musste auf 15. Juni verschoben werden. Der Plan: „Das gesamte Team wird sich in einem Hotel einmieten und wir werden einen eigenen Sanitäter engagieren.“ Alle Verträge seien fertig. „Wir könnten sofort starten“, sagt Produzent Dieter Pochlatko. Die Schutzmaßnahmen „wären machbar.“ Er rechnet jedoch mit ein bis zwei Drehtagen und dementsprechenden Kosten mehr wegen Maßnahmen bei Maske oder Garderobe. So eine Ausnahmesituation habe er nach 50 Jahren im Business „noch nie erlebt“. Und: "Wir sind extrem besorgt." Im Herbst stehe außerdem der dritte Teil des Salzburger Landkrimis unter der Regie von Catalina Molina mit dem Ermittlerteam Stefanie Reinsperger und Manuel Rubey auf dem Programm. Und, wie berichtet, ein Kinofilm über Ski-Kaiser Franz Klammer.
Gabriele Kranzelbinder
„Wir bräuchten dringend einen Haftungsfond für den Fall, dass beim Drehen Covid-19 auftritt. Derzeit ist das von Versicherungen nicht gedeckt“, sagt auch Gabriele Kranzelbinder (KGP Filmproduktion). Die in Wien lebende Kärntnerin ist mit mehreren Filmen in der Postproduktion. Der Landkrimi „Das Mädchen aus dem Bergsee“ wurde gerade noch vor dem Lockdown fertiggestellt, er hätte in Graz auf der Diagonale beim ORF-Abend gezeigt werden sollen. Die Postproduktion des internationalen Projekts „Moneyboys“ ist unter anderem deshalb schwierig, weil „die Schauspieler in China leben, von einer Schauspielerin haben wir noch immer nicht die nachträglichen Sprachaufnahmen“, so Kranzelbinder: „Diese Schwierigkeiten machen alles nicht nur mühsamer, sondern auch teurer.“
Ende Juni hätten außerdem die Dreharbeiten für die internationale Co-Produktion „Monte Libertá“ beginnen sollen, die hat man jetzt erst einmal auf Ende August verschoben. „Aber wir fragen uns natürlich: Wird man da schon nach Deutschland und in die Schweiz reisen dürfen?“, so Kranzelbinder: „Wenn dieses Projekt nicht gedreht werden kann, dann ist das wirklich bedrohlich für uns.“