Ihre Strategie war die Einmischung. Direkt, angriffslustig, ohne Angst vorm Anecken. „Ich red’ kan Grießschmarrn. Ich nenne die Dinge beim Namen – das ist unangenehm“, sagte Johanna Dohnal. Besonders für jene, „die wie die fette Made im Speck sitzen“. Wer damit gemeint war? „Die Mannsbilder.“ Viele Frauen aber auch, selbst jene in der Sozialdemokratie.
Der Generation Ü-40 muss man nicht erklären, wer Dohnal war – SPÖ-Politikerin, Feministin, wichtigste Vorkämpferin, Österreichs erste Frauenministerin und eine Person, deren Unbeugsamkeit ungemein polarisierte. Weil sie nicht gefallen wollte, weil sie nicht stillhielt, weil sie immer einen Konter parat hatte. Wäre der Begriff „Shitstorm“ damals schon salonfähig gewesen, sie wäre ein erstes prominentes Opfer geworden.
Ihre Verdienste
Ihre größte Errungenschaft war es, Frauen aus der Vormundschaft ihrer Männer zu befreien. Sie hat vieles erkämpft: u.a. gleiche Rechte für verheiratete und ledige Mütter, Kriminalbeamtinnen bei Opfern von Sexualdelikten, geschlechtsneutrale Stellenausschreibungen, Verfolgung sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, die Gründung des ersten Frauenhauses, die Fristenlösung, die Gleichstellung von Vergewaltigung inner- und außerhalb der Ehe, das Gleichbehandlungspaket, das Gewaltschutzgesetz – 1997 umgesetzt, aber von ihr initiiert.
Von Bruno Kreisky 1979 in seiner letzten Alleinregierung als eine von vier Staatssekretärinnen installiert, was die Medien zur Formulierung „Frauenkleeblatt“ hinreißen ließ, stieg sie 1990 unter Vranitzky zur ersten Frauenministerin auf – ohne Portefeuille.
„Aus taktischen Gründen leiser zu treten, hat sich noch immer als Fehler erwiesen“, lautet eines ihrer berühmtesten Zitate. Welche Konsequenzen das haben kann, hat sie 1995 selbst erfahren, als sie überraschend gegangen wurde. „Die Männer sind in Furcht geraten: Werden wir jetzt unsere Rechte, Klammer auf, (Vor-)Rechte verlieren?“, erinnert sich Vranitzky nun in Sabine Derflingers Film „Die Dohnal“. Er meint, das ist klar, damit auch sich selbst.
Als uneheliche Tochter in arme Arbeiterinnenverhältnisse in Wien hineingeboren, erfuhr Johanna Dohnal als sogenanntes Amtsmündel früh, was Ungleichheit bedeutet. Diese Erfahrung hat sie angespornt. Ein Leben lang. Als Politikerin ging sie in Pension, als Aktivistin nie.
Warum ist jetzt ein guter Zeitpunkt für einen Film über Johanna Dohnal? „Weil Frauenpolitik derzeit nur im Kino stattfindet“, sagt Derflinger.
Die Filmkritik: "Da ist Österreich was passiert"
Viele Frauen hierzulande haben es nicht zu dieser ehrfürchtigen Anrede gebracht: „Die Dohnal“ schon. Obwohl es sich bei dieser Dokumentation um eine Auftragsarbeit des „Johanna-Dohnal-Archivs“ handelt, ist Regisseurin Sabine Derflinger einer der wichtigsten politischen Filme der letzten Jahre geglückt: Skizziert wird, ausgehend von den späten 1970ern, zwischen Machos und Zigarettendunst, ein entlarvendes Sittenbild über das – bis heute – männlich dominierte Machtverständnis.
„Da ist Österreich was passiert“, sagt die deutsche Feministin Alice Schwarzer in die Kamera. Die Dohnal.
Die Leinwand-Hommage nähert sich Österreichs erster Frauenministerin nicht verkopft oder einseitig, sondern vielschichtig, witzig und kurzweilig. Derflinger hat tief in den ORF-Archiven gegraben. Einzelne Ausschnitte untermauern, wie hart Dohnals Kampf war und wie konservativ die Gesellschaft damals tickte. In einer „Club 2“-Sendung zum Thema Vergewaltigung in der Ehe zuckt Richard Nimmerrichter alias „Staberl“ aus und greift Dohnal live und persönlich an.
Dass 1989 Vergewaltigung innerhalb der Ehe jener außerhalb gleichgestellt wird, ist eines von Dohnals Verdiensten. Zu Wort kommen auch Politikerinnen und Politiker aller Couleurs – wie Altkanzler Vranitzky, der sich der Dohnal 1995 wenig elegant entledigte. Damit startet der Film.
Viel zu selten blitzt die verletzliche Frau hinter der toughen Politikerin auf, die sich in ihrer aktiven Zeit nicht als Lesbe zu outen traute. „Das hätten meine SPÖ-Frauen nicht verkraftet“, so Dohnal.