Dieses Gesicht vergisst man nicht. Es gehört Jan Bülow und ist bis auf die finstere Netflix-Serie „Dogs of Berlin“ leinwandtechnisch beinahe jungfräulich. Das wird sich nun ändern. Der 23-Jährige verkörpert im neuen Biopic „Lindenberg! Mach dein Ding“ den deutschen Rockmusiker. Wir treffen ihn gegenüber seinem Arbeitsplatz, im Café Landtmann in Wien, zum Interview. Seit Herbst ist der Berliner am Burgtheater engagiert und aktuell in „Vögel“ und „Die Edda“ zu sehen.
Sie sind Jahrgang 1996, Udo Lindenberg 1946: Was wussten Sie über ihn vor diesem Filmprojekt?
JAN BÜLOW: Ich habe zum Beispiel nicht gewusst, dass er in Libyen gewesen ist oder Drummer war. Aber er ist in Deutschland schon eine Figur aus Film, Funk und Fernsehen, die in meiner Generation für jeden ein Begriff ist und immer wieder auftaucht. Einer, der eine Menge bewegt hat und auch der dienstälteste deutsche Rocker – jetzt Altrocker – ist, weil er direkte Nachkriegsgeneration ist, der für den Mauerfall und die Wiedervereinigung eine erhebliche Rolle gespielt hat und für viele DDR-Bürger eine explizite Bedeutung hatte. Der richtige Funke ist allerdings erst mit der Beschäftigung mit ihm übergesprungen, jetzt bin ich schon auch ein bisschen Fan und seine Musik findet auch in meinen privaten Playlists statt.
Ist so ein Rollenangebot mehr Fluch oder Segen – immerhin lebt Udo Lindenberg ja noch?
So ein Rollenangebot beschert einem im ersten Moment eine Riesenfreude und ein Staunen. Ich habe ja noch nicht so viel gedreht bisher. Dann kam schnell die große Ehrfurcht, weil ich dachte: Um Gottes willen, den gibt es ja noch! Und er hat eine Menge Weggefährten und Zeitgenossen, es gibt zuhauf Tribute-Bands. Hinzu kommt noch, dass er ein eigentümlicher Charakterkopf ist und seine Geschichte eine große Rolle spielt, um zu verstehen, warum jemand so ist. Der Film erzählt von der Zeit, bevor er zur Kunstfigur geworden ist, vom anderen, privaten Udo.
Wie haben Sie sich diesem Charakterkopf angenähert?
In Rücksprache mit der Regisseurin Hermine Huntgeburth und Chefproduzent Michael Lehmann haben wir gesagt: „Wenn ich jetzt anfange, etwas 1:1 zu kopieren, wo er sich über die Jahre erst so entwickelt hat, wie er jetzt ist, dann kann es schnell in eine Karikatur abrutschen und dann ist man im Zweifel immer nur halb so gut wie das Original.“
Haben Sie Udo Lindenberg vor dem Dreh auch kennengelernt?
Ja, ich war wahnsinnig aufgeregt, aber es ist alles gut gelaufen. Man will von so jemandem ja auch den Segen haben.
Was hat er Ihnen mit auf den Weg gegeben?
Überhaupt nichts. Ich denke, er wollte einfach nur sehen, ob ich der passende Vogel dafür bin. Er hat relativ schnell gemerkt, dass ich mich für Musik interessierte, auch für seine, und dass ich dazu etwas sagen kann. Ich wusste davor schon eine ganze Menge über ihn, habe auch den Roman „Panikherz“ gelesen, in dem Benjamin von Stuckrad-Barre sein Großwerden mit Udos Musik beschreibt. Er hat dann den Daumen hoch gegeben und das war es. Dann galt es einen guten Film zu machen.
Und: Wie findet Udo Lindenberg den Film über sich?
Er ist total gerührt und begeistert und froh. Er hat den Film mehrmals gesehen und sagte auch einmal, dass er ein kleines Tränchen verdrückt hat. Wir beide mögen uns inzwischen sehr. Wir sehen, telefonieren oder schreiben uns auch oft.
„Bohemian Rhapsody“, „Rocketman“, „Yesterday“ oder „Judy“: Musikfilme oder Biopics sind gerade en vogue. Welcher hat denn jenes über Udo inspiriert?
Der Film ist kein Abklatsch von „Bohemian Rhapsody“ und Co. Für Lehmann ist das ein Herzensprojekt, er arbeitet seit sieben Jahren daran.
Sie sind im Ensemble des Burgtheaters engagiert, aktuell in „Vögel“ oder „Die Edda“ zu sehen. Zieht es Sie weiterhin zum Film?
Ja, natürlich. Das Theater ist meine erste große Liebe gewesen, die werde ich auch nicht vergessen und ich lege Wert darauf, dass das weiterhin stattfindet. Ich habe keine expliziten Karrierepläne. Ich lasse mich treiben. Zum Film habe ich dennoch eine Liebe entwickelt und auch ein steigendes Selbstvertrauen.
Fühlen Sie sich gut in Wien angekommen?
Ich denke, das dauert noch ein bisschen. Ich fühle mich schon relativ wohl, aber in diesem ersten Jahr war ich so viel zwischen Berlin, Zürich, Hamburg, Düsseldorf und Marokko unterwegs, dass ich nie so richtig irgendwo angekommen bin. Ich fange aber gerade an, mich einzurichten. Das braucht Zeit. Ich habe ein gutes Gefühl.