Dieser Film war eines der großen Ereignisse der Berlinale. Absolut preiswürdig. Aber leider lief Adam McKays „Vice – Der zweite Mann“ außer Konkurrenz. Macht nichts, denn der Film ist ohnehin in acht Kategorien für den Oscar nominiert. Ex-„Batman“ Christian Bale verkörpert in „Vice“ den einst übermächtigen US-Vizepräsidenten Dick Cheney. Natürlich ist auch Bale ein höchst aussichtsreicher Oscar-Kandidat.

Was waren Ihre ersten Gedanken, als Ihnen Adam McKay die Rolle anbot?
Christian Bale: Jede meiner Rollen ist für mich am Anfang eine „bloody hell“. Hier dachte ich: Absolut unmöglich! Cheney sah ja total anders aus als ich! Andererseits: Das Drehbuch war einfach grandios. Und Adam beschwor mich: Er würde diesen Film mit keinem anderen drehen. Also ließ ich mich überreden. Sechs Monate arbeitete ich mit dem berühmten Make-up-Künstler Greg Cannom, um mein neues Erscheinungsbild in den Griff zu bekommen. Daneben studierte ich unzählige Videos und las alles, was ich über Cheney in die Hände bekam.

Außerdem legten Sie ordentlich Gewicht zu. Das haben andere Kollegen auch schon gemacht. Aber Sie sind wohl der Einzige, der für einen Film („Der Maschinist“) einst rund 30 Kilo abgenommen hat. Und jetzt mussten Sie zwanzig Kilo zulegen. So etwas ist doch eine echte Tortur?
Christian Bale: Schon. Aber das war es mir wert. Aber ich mache es sicher nicht noch einmal. Ich fühle, dass mir mein Körper dann sagen würde: Du wirst bald sterben. Schließlich bin ich 45 und beobachte mich dabei, dass ich manchmal durchs Haus hatsche wie ein alter Mann. Klar arbeitete ich mit einem Ernährungsberater und unter ärztlicher Kontrolle. Adam McKay bestand darauf.

Wie hat Ihnen die Maske als Dick Cheney letztendlich getaugt?
Christian Bale: Es war schon ein unglaublicher Augenblick, als ich mich erstmals in kompletter Maske – das dauerte jeden Morgen übrigens vier Stunden – vor einen Spiegel stellte und mich selbst nicht wiedererkannte.

Was war Dick Cheney für Sie? Bösewicht, Fiesling, Kriegstreiber?
Christian Bale: So kann man an eine Rolle nicht herangehen. Der Mann hatte unglaublichen Einfluss und verstand es virtuos, auf der politischen Klaviatur zu spielen. Adam McKay und ich waren uns einig, dass ich mich dem Charakter positiv nähern musste. Ich musste Cheney umarmen – auf ernsthafte Art. Es durfte keine Vorhersehbarkeit entstehen, sonst hätte es ja keine Überraschungsmomente geben können.

Was hat Sie an ihm besonders interessiert?
Christian Bale: Natürlich die menschliche Seite. Wie war er als Ehemann, als Vater? Das Überraschende für mich war, wiesehr er von seiner Frau Lynne angetrieben wurde. Sie war eine Lady Macbeth im Hintergrund. Aber nachdem er in Yale rausgeschmissen worden war, versehentlich einen Menschen getötet hatte, besoffen einen Autounfall verursacht hatte und seinen Führerschein hatte abgeben müssen, stellte ihn Lynne, seine Highschool-Liebe, vor die Alternative: Mir reicht’s, mein Lieber. Entweder du wirst etwas Besonderes, vielleicht sogar amerikanischer Präsident, oder … Und er hat auf sie gehört. Zugutehalten muss ich ihm auch, dass er sich an die Seite seiner jüngeren Tochter Mary stellte, als sich diese mit 17 zu Hause als Lesbe outete. Damals, im Jahr 1986, in den USA gar nicht so einfach. Dafür hat er sogar vorübergehend seine politischen Ambitionen zurückgestellt. Bis er als Vizepräsident von George W. Bush wieder auf den Zug sprang.

Christian Bale in seiner Rolle als Dick Cheney in "Vice"
Christian Bale in seiner Rolle als Dick Cheney in "Vice" © (c) AP (Greig Fraser)



Er hat den Irak-Krieg angekurbelt?
Christian Bale: Es gibt so viele Fragen, die ich ihm gern stellen würde. Darunter jene, ob er diesen völlig unethischen Krieg je bereut hat. Manche sagen: Ja, er habe sich einmal diesbezüglich geäußert. Ich glaube es nicht.

Man nannte ihn ja auch, nach dem berühmten Bösewicht aus „Star Wars“, Darth Vader. Glauben Sie, dass ihm das gefallen hat?
Christian Bale: Natürlich. Er nannte sich ja auch selbst so, das taugte ihm.

Falls man Ihnen anbietet, den gegenwärtigen Präsidenten Trump in einem Film zu verkörpern, wie würden Sie reagieren?
Christian Bale: Uninteressant. Denn: Cheney hat verstanden, dass im Verschweigen wahre Macht liegt. Das kann man Mister Trump bestimmt nicht nachsagen.

Ist Trump Ihrer Meinung nach gefährlicher als Cheney?
Christian Bale: Jemand kann umso gefährlicher sein, desto intelligenter er ist. Auch das kann man Trump nicht nachsagen. Cheney verstand es, die Politik wie Schach zu spielen. Glauben Sie, dass Trump Schach spielen kann?

Sind Sie ihm je begegnet?
Christian Bale: Ja, in einem seiner Trump-Towers, im Batman-Kostüm. Hat ihn sehr amüsiert.



Bald ist Oscar-Verleihung. Sie haben beste Chancen. Genießen Sie das?
Christian Bale: Sie gestatten mir, nicht zu heucheln. Applaus und Beifall zu genießen, ist doch menschlich, ist wunderbar. Doch bei allem bleibe ich realistisch. Ich erinnere mich nicht nur an die guten Filme, die ich gemacht habe, sondern auch an die schlechten. Dass „Vice“ so viel Aufmerksamkeit gefunden hat und achtfach nominiert ist, finde ich deswegen wunderbar, weil der Film damit maximale Aufmerksamkeit findet. Dass ich als bester Hauptdarsteller nominiert bin, freut mich, ich finde es sehr schmeichelhaft, aber eines ist mir klar: Jeder Kollege, der auch auf der Liste steht, hat eine tolle Leistung geboten.



Was hat Ihre Frau gesagt, als sie monatelang einen so „fetten“ Ehemann neben sich hatte?
Christian Bale: Die hat das genossen. Ich zitiere sie. „Je fetter du bist, umso dünner sehe ich neben dir aus.“

Sie haben einen amerikanischen und einen britischen Pass. Was sagt der Brite zum Brexit?
Christian Bales Antwort:Ein Schluchzen. Ebenfalls oscarreif.