Am 21. Dezember sind Sie 70 geworden. Was ist Ihrer Meinung nach das Beste an diesem Alter?
SAMUEL L. JACKSON: Dass ich noch nicht unter der Erde bin. Dass ich nach dem Aufwachen jeden Morgen verblüfft feststellen kann: Hallo, ich lebe noch! Das ist doch eine gute Sache. Und bei der Arbeit ist es besonders schön, wenn ich abends nach Hause gehen und sagen kann: „Ich habe heute einen besonders glücklichen Tag gehabt!“

Und wenn Sie in den Spiegel schauen?
SAMUEL L. JACKSON: Sehe ich besser aus, als ich es mir vor meinem Siebziger vorgestellt hatte. Schlecht? Na ja, ich fühle mich nicht mehr wie 30, aber auch nicht so zerbrechlich wie Mister Glass in meinem aktuellen Film.

Sie sollen ja wesentlich daran beteiligt gewesen sein, dass aus „Unbreakable“ am Ende doch noch – mit „Split“ und „Glass“ –eine Trilogie wurde. Angeblich haben Sie Regisseur und Autor M. Night Shyamalan bei jedem Zusammentreffen gefragt: „Wann kommt endlich eine Fortsetzung, motherf...“ Stimmt das?
SAMUEL L. JACKSON: Die Diktion könnte stimmen. Ich hatte nach „Unbreakable“ einfach das Gefühl, dass die Geschichte noch nicht auserzählt war. Aber Shyamalan war von den ersten Reaktionen so enttäuscht und verletzt gewesen, dass er nicht weitermachen wollte. Doch mit den Jahren wurde „Unbreakable“ nicht nur zum Kult, sondern zum Superkult. Das hat ihn ermutigt, doch noch, nach vielen Jahren mit „Split“ und „Glass“ eine Trilogie fertigzustellen.


Waren die Dreharbeiten zu „Glass“ auch so, dass Sie jeden Abend nach Hause gingen und sich sagten: „Das war wieder ein glücklicher Tag“?
SAMUEL L. JACKSON: Absolut. Und oft war ich wie alle anderen auch von James McAvoy total begeistert, wie er zwischen seinen 24 Identitäten, auch weiblichen, wechselte. Da gab es von uns bei den Leseproben immer Zwischenapplaus. Einmal etwa, als er zu einer Frau namens Hedwig mutierte, sogar donnerndes Klatschen. Der Mann ist ein Wahnsinn!

M. Night Shyamalan taucht mit den Storys der Trilogie ja in die Welt der Comics ein, in die Welt der Superhelden und Superschurken. Was fasziniert das Publikum so daran?
SAMUEL L. JACKSON: Das erklärt sich einfach. Wer hat nicht schon als Kind davon geträumt, fliegen zu können und die Bösewichte dieser Welt zu besiegen? Das wird man nie ganz los.

Sie haben bisher in insgesamt 141 Filmen mitgewirkt. Wie sind Sie eigentlich Schauspieler geworden?
SAMUEL L. JACKSON: Einmal durch meine Tante, die Lehrerin war und Schauspiel unterrichtete. Bei Aufführungen fehlten ihr immer wieder ein paar Buben, und es war naheliegend, dass sie da oft auf mich zurückgriff. Zunächst jedoch studierte ich Meeresbiologie, dann wurde ich Mitglied eines Schulorchesters und wollte Trompeter werden. Aber ein Arzt empfahl mir die Theatergruppe als Heilmittel gegen mein Stottern. Es hat tatsächlich gewirkt.

Zu Ihren Mentoren gehört Quentin Tarantino, durch den Ihnen mit „Pulp Fiction“ 1994 der große Durchbruch gelang. Seither waren Sie für fast jeden seiner Filme engagiert?
SAMUEL L. JACKSON: Und er hat mir meist die dankbarsten und edelsten Rollen gegeben. Mittlerweile sind wir wie ein altes Ehepaar, wir streiten und lieben uns.

Gegen Tarantino gab es Attacken, er sei ein Rassist?
SAMUEL L. JACKSON: Totaler Blödsinn. Natürlich verwendete er in seinen Drehbüchern wiederholt das Wort „Nigger“, weil die Geschichten eben in Zeiten spielten, wo das normal und üblich war. Ich bin im Süden der USA aufgewachsen. Was glauben Sie, wie oft ich es selbst gehört habe? Aber ich bin nicht daran zerbrochen.

Ist die Welt in den letzten Jahrzehnten besser geworden?
SAMUEL L. JACKSON: Ich habe zahlreiche soziale Verirrungen und Verwirrungen erlebt, aber ich habe auch zahlreiche Fortschritte registriert. Die totale Harmonie wird es nie geben, doch insgesamt: Ja, vieles ist besser geworden.



Gibt es Dinge, die Sie besonders ärgern?
SAMUEL L. JACKSON: Früher habe ich mich mehr geärgert. Da war ich oft von null auf hundert. Etwa über Menschen im Supermarkt an jener Kassa, an der man zehn Dinge im Korb haben darf und bar bezahlen muss. Da sind aber oft welche mit 15 Sachen, und die zahlen dann auch noch mit Scheck oder Kreditkarte. Doch ich bin viel milder geworden und zähle bis 10, bevor ich ein Schimpfwort sagen würde.

Rückblickend: Sind Sie mit Ihrer Karriere zufrieden?
SAMUEL L. JACKSON: Na, hören Sie! Dass aus dem kleinen Stotterer ein dauerndes Mitglied der A-Liste in Hollywood wurde und dass ich noch immer auf diesem Level stehe, wer darf es sich da erlauben, nicht glücklich und zufrieden zu sein?