Es ist eine der nobelsten Absteigen Wiens: das Hotel Kärntnerhof. Die Geschichte des Hauses ist verrucht, die Adresse liegt zentral, aber versteckt im ersten Wiener Gemeindebezirk. Hier, in der Grashofgasse 4, ist sogar eine Suite nach ihr benannt. Sie wartet schon: DIE Hörbiger.
Christiane Hörbiger. Die Grande Dame der heimischen Film- und Fernsehlandschaft. Eine Vielhacklerin seit 63 Jahren. Eine Diva. Eine Wienerin mit Etikette, die jeden Satz so spricht, als stünde sie auf einer großen Bühne. Ein Mitglied der berühmtesten Schauspielerdynastie des Landes. Eine Frau, die laut auflacht, wenn ihr etwas gefällt. Und eine, deren „Nein“ rasiermesserscharf den Raum schneidet.
In Skinny Jeans, hohen Stiefeletten in Leoparden-Print und rotem Lippenstift empfängt sie Journalisten. Rechts und links neben ihr fläzen ihre beiden Möpse Loriot und Vicco auf dem Sofa. Christiane Hörbiger feiert am 13. Oktober ihren 80. Geburtstag und die Fernsehanstalten zelebrieren diese Tatsache mit ausufernden Hörbiger-Festspielen.
Das Programm mutet wie eine Ringelspielfahrt in ihre Vergangenheit an, rundenweise wechselt man das Jahrzehnt. Zu sehen ist sie als Baronesse Mary Vetsera im Historienfilm „Kronprinz Rudolfs letzte Liebe“, als junge Gräfin im ungeahnten Serienerfolg „Das Erbe der Guldenburgs“ oder als toughe, kämpferische Bezirksrichterin „Julia – Eine ungewöhnliche Frau“. In Erinnerung geblieben sind aber auch jene Rollen, in denen das Böse aus ihren Augen funkelte. Wie in Paul Harathers „Die Gottesanbeterin“, wo sie dem Zuschauer als Elfriede Blauensteiner nachempfundene Figur Angst einjagt.
Lorbeeren heimste sie in der Literaturverfilmung „Besuch der alten Dame“ ein. Und in Rollen am Rand der Gesellschaft, in die sie zuletzt vordergründig schlüpfte: als Obdachlose („Auf der Straße“) oder Alkoholikerin („Wie ein Licht in der Nacht“).
Über den Stolz
Worauf ist sie stolz? Auf diese Frage antwortet sie so: „Als ich damals in Zürich die Elisabeth in ,Maria Stuart‘ gespielt habe. Da war ich stolz.“ Und worauf ist sie privat stolz? „Nein“, schmettert sie die Frage zunächst ab. Einen Atemzug später ergänzt sie: „Dass aus meinem Sohn was geworden ist. Ich war Alleinerzieherin.“
Und wie etwas aus ihm, dem Regisseur Sascha Bigler geworden ist! Der 50-Jährige führte bei einem von zwei neuen TV-Filmen Regie. In „Die Muse des Mörders“ spielt Hörbiger fast wie in einer Revue ihr Können aus. Und auf noch eine Ausstrahlung freut sie sich. In „Einmal Sohn, immer Sohn“ mimt sie eine Feministin und Magazinchefin. Was sie daran gereizt hat? „Dass es endlich eine lustige Geschichte war und eine komische Rolle. Eine boshafte Schwiegermutter ist immer eine gute Rolle.“
Am Anfang hatte Christiane Hörbiger weniger zu lachen. Ihr Bühnendebüt als Recha in Lessings „Nathan der Weise“ bescherte ihr 1959 am Burgtheater vernichtende Kritiken. Sie sei, schrieb ein Kritiker, „die unbegabte Tochter von Paula Wessely.“ Es dauerte lange, bis sich die Schauspielerin von ihren berühmten, vergötterten und später auch verteufelten Eltern, den herausragenden Schauspielern Wessely und Attila Hörbiger, emanzipiert hatte. Ans Burgtheater kehrte sie später als Recha noch einmal zurück – dieses Mal mit großem Erfolg.
Die Fragen aus der Vergangenheit kann sie nicht mehr hören. Viel lieber redet die Noch-79-Jährige über ihre Zukunft. Darüber, dass sie im nächsten Jahr zwei Monate Urlaub in St. Gilgen am Wolfgangsee machen möchte. Und dass sie daran denkt, mit der Schauspielerei aufzuhören. Was sie dann vorhat? „Ich möchte leben.“ Nicht länger vom Zeitplan anderer abhängig sein. Die wahre Chefin ist wer anders: „Meine Waage. Ich möchte meine Figur halten.“