Defilee der Hollywood-Stars auf Facebook Live: In der Nacht von Sonntag auf Montag werden in Beverly Hills die Golden Globes vergeben. Ab Mitternacht überträgt Facebook die Ankunft der Promis auf dem roten Teppich. Wer sich dabei zuschaltet, siehe möglicherweise Schwarz.
Denn zahlreiche Stars haben angekündigt, dass sie bei der Globes-Gala als Zeichen der Solidarität einen Auftritt ganz in Schwarz absolvieren wollen. Frauen als bunte Kleiderständer: diese Sicht der Dinge soll Vergangenheit sein. Denn diesmal geht es nicht um Mode, sondern um Moral. Und noch mehr als die Favoriten bei der Preisverleihung steht Zeichensetzung auf dem Programm: gegen sexuelle Belästigung, Diskriminierung und Rassismus in der Entertainmentindustrie.
Nicht nur weibliche Stars wie Cate Blanchett, Reese Witherspoon, Eva Longoria, Natalie Portman nehmen an der Aktion teil. Auch prominente Hollywood-Männer haben angekündigt, sich beteiligen zu wollen. Schon wird gespottet, wie Menschen, die üblicherweise ja ohnehin im schwarzen Smoking bei solchen Veranstaltungen antanzen, ein Zeichen setzen sollen: mit einem schwarzen Hemd? Schwarzer Armbinde? Schwarzem Stecktuch?
Dass der "Blacklash", wie die Aktion auch genannt wird, auch auf Kritik stößt, ist kein Wunder: Auf den ersten Blick wirkt die Aktion wie viele pompöse Hollywood-Aufreger zuvor. Man setzt symbolische Handlungen zu einem aktuellen politischen Thema und geht dann wieder zur Tagesordnung über, zu Gym-Besuchen, Fototerminen und Talkshow-Auftritten, bei denen man seinen neuesten Film bewirbt.
Doch wird zumindest diesmal, scheint es, in der Traumfabrik nicht nur auf der Symbolebene reagiert. Anfang der Woche haben mehr als 300 Schauspielerinnen, Autorinnen, Regisseurinnen und andere Frauen aus der US-Unterhaltungsindustrie per offenem Brief an die US-Zeitungen „New York Times“ und „La Opinion“ den Start ihrer gemeinsamen Aktion „Time’s Up“ („Die Zeit ist um“) angekündigt. Deren Botschaft: Die Zeit sexueller Übergriffe ist vorbei. Tatsächlich will die Initiative sexueller Gewalt am Arbeitsplatz ein Ende setzen – in Hollywood wie in anderen Branchen. Außerdem fordern Unterzeichnerinnen wie Meryl Streep mehr Frauen in Führungspositionen und gleichen Lohn für Männer und Frauen.
Das alles ließe sich als großspurige Rhetorik abtun, hätten die Initiatorinnen nicht einen bereits gut gefüllten Rechtshilfefonds für weibliche wie männliche Opfer sexueller Belästigung am Arbeitsplatz eingerichtet. Dank großzügiger Spenden von Hollywood-Granden wie Regisseur J. J. Abrams, Jennifer Aniston, Steven Spielbergs Wunderkind- Stiftung und Künstleragenturen waren die nötigen 15 Millionen Dollar (12,5 Millionen Euro) für den Fonds schon zu Aktionsstart fast beisammen.
Das sei der ehrgeizigste Teil der Initiative, glaubt die Aufdeckerin des Weinstein-Skandals, Jodi Kantor von der „New York Times“: „Die Top-Frauen in Hollywood reichen den Frauen am anderen Ende der Einkommensskala ihre Hand. Ihre Botschaft: Wir haben etwas gemeinsam mit Frauen mit geringem Einkommen und nutzen unsere Stellung, auch denen zu helfen.“
Und laut „Time’s Up“- Aktivistin Reese Witherspoon machen die Stars in Schwarz auf dem roten Teppich „denen Mut, die sich selbst nicht wehren können“ – auch wenn es in der Nacht auf Montag vorerst wohl doch mehr um goldene Weltkugeln gehen wird als um Weltveränderung. Die aber ist ohnehin schon in Gang: Ob Weinstein tatsächlich mehr als 100 Frauen sexuell belästigt oder gar vergewaltigt hat, wird gerichtlich untersucht, ebenso Missbrauchsvorwürfe gegen Prominenz der US-Entertainmentindustrie wie Kevin Spacey, Jeffrey Tambor, Brett Ratner, James Toback. Erst jüngst häuften sich auch gegen Oscar-Regisseur Paul Haggis sich die Vorwürfe: Er soll mehrere Frauen sexuell bedrängt und sogar vergewaltigt haben.
Ob Unterhaltungsprominenz, Politiker, Medien- und Wirtschaftsbosse: Das System sexueller Übergriffe hatte offenbar seit Jahrzehnten System. Höchste Zeit, dass darüber nun offen gesprochen wird - weltweit, auch in Österreich und Deutschland. Und trägt die Solidaritätsaktion in Schwarz bei der Globes-Gala dazu bei, diese Diskussion in Gang zu halten, statt dass bloß hübsche Menschen in hübscher Kleidung hübsche Preise überreicht bekommen, ist das letztlich gar nicht so wenig.
Ute Baumhackl