Der Film zählte zu den herausragenden Ereignissen der diesjährigen Berlinale. Schon dort konnte man Klopfzeichen für das nächste Oscar-Rennen wahrnehmen. Sowohl für Regisseurin Aisling Walsh als auch für die beiden hinreißenden Hauptdarsteller Sally Hawkins und Ethan Hawke. „Maudie“ ist soeben in den österreichischen Kinos angelaufen.
Erzählt wird eine wahre Geschichte. Maud Dowley ist durch rheumatoide Arthritis schwer beeinträchtigt. Sie ist zierlich, humpelt und ihre Hände sind verkrüppelt. Trotzdem möchte sie nur eines: malen, malen, malen. Ihre Familie traut ihr jedoch überhaupt nichts zu. Maud bewirbt sich als Haushälterin auf eine Annonce, die der barsche Fischer und Hausierer Everett Lewis aufgegeben hat. Bald stellt sich heraus, dass sie dafür wenig taugt. Lieber bemalt sie das kleine, graue Elf-Quadratmeter-Haus mit farbenfrohen Bildern. Die Farben bettelt sie dem Hausherrn ab, der sie ihr immer aus der Stadt mitbringt. Allmählich reißt man sich um ihre naive Malerei, und aus der „unmöglichen“ Partnerschaft wird am Ende Liebe. Im Film setzt die Handlung 1938 mit der ersten Begegnung des Paares ein und endet mit Mauds Tod im Jahr 1970.
Regisseurin Aisling Walsh erzählt, dass sie ganz fix und foxi war, als sie von der Produktionsfirma dieses Drehbuch erhielt: „Nachdem ich es gelesen hatte, rief ich sofort meine Agentur an und sagte: ‚Das muss ich unbedingt machen!‘ Und ich wusste auch schon, mit wem. Zwei Jahre vorher hatte ich Sally Hawkins kennengelernt, seither wollten wir schon immer einmal zusammenarbeiten. Mir war klar: Wenn ‚Maudie‘, dann nur mit ihr.“
Spontan verliebt
Auch Hawkins erzählt, sie habe sich „spontan in das Drehbuch verliebt. Geködert hatte mich Aisling Walsh schon zuvor mit einem von Maud gemalten Bild aus deren späterer Schaffensperiode. Es zeigte sie selbst, in einer Ecke am Fenster sitzend. Von ihrem unglaublichen Lächeln und ihren glitzernden Augen war ich sofort angetan.“ Aber es schlichen sich auch Zweifel ein: „O Gott, dachte ich, wie fange ich das an, wie packe ich das? Und noch was: mit wem?“
„In der Tat“, ergänzt die ehemalige Kunststudentin Aisling Walsh, „war das die größte Hürde. Wir brauchten einen ganz besonderen Menschen, einen, der die Wandlung eines auch nicht unbedingt vom Leben begünstigten Menschen, vom Griesgram bis zum liebevollen Partner, glaubhaft machen konnte. Ein schauspielerischer Gewaltmarsch. Mir fiel Ethan Hawke ein, der in Blockbuster-Ware bisher genauso zu Hause war wie in höchst anspruchsvollen Projekten.“ „Unser Glück“, so Sally Hawkins, „bestand darin, dass er gerade frei war. Da waren wir echt von Gott gesegnet. Denn die Story konnte nur mit einem Partner funktionieren, zu dem man absolutes Vertrauen hat. Zwischen uns hat es sofort funktioniert. Er hat Herz und Seele in diese Rolle gebracht.“
Die Regisseurin: „Für mich ist Maud ein verwundeter Vogel und Everett die Vogelscheuche. Zwei unterschiedlichste Charaktere, die auf engstem Raum, ohne Elektrizität und Heizung, in Nova Scotia an der kanadischen Ostküste zusammenleben und zusammenwachsen. Sally hat sich unglaublich hineingesteigert, sie hatte nicht nur permanent einen Bewegungscoach, um ihr körperliches Handicap und den fortschreitenden Verfall überzeugend darstellen zu können, ich zwang sie auch dazu, fast neun Monate lang selbst zu malen.“ Sally: „ Es war hochinteressant. Zunächst, lernte ich, war Everett auf den Bildern ihre Hauptfigur. Erst als sie sich ihrer Liebe bewusst wurde, begann sie auch, sich selbst zu malen. Als sie nicht länger ein einsamer Mensch, sondern Teil eines Paares war. Mit jedem Tag habe ich sie mehr bewundert, auch, weil mir bewusst wurde, wie sehr sie gelitten haben musste. Wenn du ständig Schmerzen hast, bleibt dir ja gar nichts anderes übrig, als dich damit abzufinden und es zu ertragen.“
Eine New Yorker Touristin war damals die Erste, die Maud Lewis’ Malereien entdeckte und mit eifriger Mundpropaganda förderte, und nach und nach wurde Maud zur Pionierin der „Folk Art“. Wo man heute ihre Bilder finden kann? Sally Hawkins und Aisling Walsh wissen es: „Natürlich in der Kunstgalerie in Nova Scotia, aber genauso auf Superyachten, in Jagdhütten in Labrador und wahrscheinlich auch noch auf vielen staubigen Dachböden in ganz Kanada.“
Klar, dass man nach einem solch anstrengenden Projekt Erholung braucht. Sally Hawkins hat sie mit einem Monster als Partner gefunden. Sie wirkt auch im zweiten „Godzilla“-Film mit. „Ich liebe einfach alles, was mit Kino zu tun hat.“
Ludwig Heinrich