Das Sportdrama "Borg McEnroe" ist die Verfilmung einer der größten Tennis-Rivalitäten aller Zeiten, zwischen dem "coolen", schwedischen Champion Björn Borg und dem amerikanischen Hitzkopf John McEnroe, die von Sverrir Gudnason und Shia LaBeouf gespielt werden. Und dank LaBeoufs Image als Rotzbengel ist es ein halbes Selbstporträt: Der US-Schauspieler stiehlt allen die Show.
Der Film beginnt mit Borg wie er gerade lebensgefährliche Liegestütze auf dem Geländer des Balkons seines Luxusapartments in Monaco macht. Ein mulmiges Gefühl liegt in der Luft. Will er springen? Obwohl der Tennisstar von allen geliebt und von schreienden Mädchen auf der Straße gejagt wird, ist er in seinem Inneren ausgelaugt. Er ist 24 Jahre alt, hat Wimbledon vier Mal gewonnen und braucht nur noch einen Titel, um den Rekord zu brechen. Der steigende Druck im Vorfeld des bevorstehenden Turniers und sein Status als Superstar, zermalmt ihn. Im Gegensatz zum nach Außen hin sanften Schweden, ist sein Gegner, der 21-jährige amerikanische Aufsteiger John McEnroe, ein Flegel, bekannt für sein Temperament auf dem Tennisplatz. Die "New York Times" bezeichnete ihn damals als "schlechteste Werbung für amerikanische Werte seit Al Capone".
Das nordische Drama, das angelegt ist wie ein psychologischer Thriller, springt zwischen den Vorbereitungen auf das 1980er Match und den Rivalen in ihrer Jugend hin und her: Borg muss seine Selbstbeherrschung erst lernen (er wird in jungen Jahren von dessen leiblichem Sohn verkörpert), während McEnroe unter der strengen Erziehung seines Vaters zu leiden hat. Ronnie Sandahls Drehbuch basiert auf der Idee, dass der introvertierte "Ice-Borg" und der impulsive "Super Brat" - wie sie "liebevoll" von der englischen Presse genannt wurden - im Grunde gleich waren.
Ein interessanter Zugang. Aber anstatt uns ein ausgewogenes Bild der Innenleben beider Männer zu geben, interessiert sich der Film des dänischen Filmemachers Janus Metz Pedersen ("True Detective") mehr für den grübelnden Borg. Und obwohl Gudnason seine Sache wirklich gut macht, ist Borgs Geschichte entweder zum Einduseln oder - wie der echte Björn Borg schon kritisierte - ein bisschen übertrieben in seinen Klischees.
Dies ist schade, weil Metz Pedersen und Sandahl (die 1996 eine Fernsehdokumentation darüber gemacht haben), es verabsäumen, eine prächtige Leistung von LaBeouf voll auszunutzen. Der US-Schauspieler ist bekannt dafür, dass er seine Contenance in der Öffentlichkeit verliert, und es ist die reinste Freude ihm dabei zuzusehen, wie er auf dem Court mit Schlägern um sich wirft, den Schiedsrichter beleidigt und Dinge brüllt wie: "Die Tauben ruinieren meinen Fokus!" An einer Stelle sehen wir McEnroe, wie er sich mit einem Handtuch bedeckt, als ob er sich vor den sensationsgeilen Augen der Welt verstecken würde. Sehen wir LaBeouf oder den Charakter oder ein bisschen von beiden?
Vereinfachte Küchenpsychologie
Leider gelingt es den Filmemachern nicht, wirklich an seine Essenz zu kommen. Man muss es ihnen hoch anrechnen, dass sie McEnroe nicht zum Schurken glätten und nicht auf seinen Ausrastern herumreiten. Aber die Geschichte eines ungehobelten Underdogs ist einfach spannender als die eines stoischen Leuchtfeuers. Außerdem wissen wir heute aus Interviews, dass viel von McEnroes Verhalten reinstes Kalkül war. Das Drehbuch von Sandahl stützt sich dementsprechend zu sehr auf eine vereinfachte Küchenpsychologie. An keiner Stelle erfahren wir, warum Borg und McEnroe außergewöhnliche Tennisspieler waren. Vielleicht wäre es ratsam gewesen die beiden echten Sportler von Beginn an in den Film miteinzubinden.
Der Tennissport ist nicht eben für sein dramatisches Leben-oder-Tod-Potenzial bekannt, trotzdem ist es dem Regisseur gelungen, daraus ein stimmungsvolles, existenzielles Drama zu schaffen. In den letzten 20 Minuten, die das legendäre Match, ein nahezu vierstündiges Epos, nachstellen, bleibt kein Schweißband trocken. Das ist dann wirklich packend - auch für Tennis-Muffel.
Von Marietta Steinhart