"Der schönste Schnurrbart des französischen Kinos wird ewig in Erinnerung bleiben", twitterte das Filminstitut La Cinematheque francaise. Gemeint ist damit der Charakterdarsteller Jean Rochefort, der bereits vergangenen August in ein Pariser Krankenhaus eingeliefert worden war und in der Nacht auf Montag in Paris verstorben ist. Rochefort wirkte an der Seite berühmter französischer Darsteller wie Louis de Funes, Pierre Richard und Gerard Depardieu in rund 150 Filmen mit, darunter auch viele Komödien.
Dass die Diktion von Rochefort die schönste der Welt gewesen sei, habe man an einem einzigen Satz erkennen können, twitterte Gilles Jacob, ehemaliger Präsident des Filmfestivals von Cannes in Reaktion auf den Tod des Schauspielers. Rochefort verkörperte wie kein anderer den Franzosen alter Schule, der sich selbst nicht zu ernst nimmt: Mit dem Charme eines spaßigen Verführers und seinem einzigartigen Timbre war Rochefort sofort erkennbar, ähnlich wie andere französische Stars wie Jean-Louis Trintignant und Philippe Noiret.
"Ich gehöre zum französischen Kulturerbe. Bayonne-Schinken, (Philippe) Noiret, (Jean-Pierre) Marielle und ich", scherze Rochefort. Obwohl er mit Komödien und seinem trockenen Humor bekannt geworden war, galt Rochefort als schwierig einzuordnender Schauspieler: Konventionell und mit einem Knacks zugleich sei er gewesen, so der Regisseur Patrice Leconte, zu dessen Lieblingsdarstellern er gehörte.
Obwohl der 1930 geborene Schauspieler mit seiner hohen Statur für Rollen von hochrangigen Beamten prädestiniert war, spielte er alle Fächer: den zynischen Freigeist, den ehebrecherischen Familienvater, den feigen Apotheker sowie den Marinekommandanten, und wirkte sowohl in Autorenfilmen als auch in Produktionen für ein breites Publikum mit.
Gerne spielte er unzulängliche, verschlossene und eigenbrötlerische Rollen, wie zum Beispiel den Einsiedler in "Barracuda". Zu seinen weiteren bekannten Filmen zählen "Der Uhrmacher von Saint-Paul" von 1974 und "Wenn das Fest beginnt" von 1975. Sein komisches Talent zeigte er unter anderem in der Spionagefilm-Persiflage "Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh" von 1972, in der er einen Geheimdienstchef mimt. In "Der Mann der Friseuse" von 1990 spielt er Antoine, der seine erotischen Fantasien mit seiner Frau Mathilde auslebt. 1987 zeigte er in "Tandem" von Patrice Leconte in der Rolle eines einsamen Radiosprechers, dass er in Dramen genauso brillieren konnte wie in Komödien.
Die Dreharbeiten zu der ihm auf den Leib geschriebenen Titelrolle in "Don Quichotte", einem von Terry Gilliam im Jahr 2000 begonnen Filmprojekt, musste er aufgrund einer Operation unterbrechen: "Ich bin ein Don Quichotte in der Realität und nicht dazu gemacht, den fiktiven Don Quichotte zu spielen", erklärte sich der Darsteller den Vorfall. Zuletzt war Rochefort unter anderem in "Das Mädchen und der Künstler" von Fernando Trueba, der Komödie "Wir verstehen uns wunderbar" an der Seite von Charlotte Rampling und in einer Nebenrolle in "Asterix und Obelix - Im Auftrag ihrer Majestät" zu sehen.
Im Laufe seiner langen Karriere wurde Rochefort drei Mal mit dem wichtigsten französischen Filmpreis Cesar ausgezeichnet. Er erhielt ihn für seine Rollen in den Filmen "Wenn das Fest beginnt" und "Die Schlemmer-Orgie" von 1978, sowie im Jahr 1999 einen Ehren-Cesar für sein Lebenswerk.
Der am 29. April 1930 in Paris geborene Sohn einer bürgerlichen Familie verbrachte laut eigener Aussage eine sehr langweilige Kindheit, einen Teil davon in Nantes. Sein Interesse für das Theater wurde durch Übertragungen von Aufführungen im Radio geweckt. Nach der Theaterschule in der Rue Blanche in Paris trat er in das Konservatorium ein und debütierte in der Kompagnie Grenier-Hussenot. Rochefort spielte auf zahlreichen Pariser Bühnen an der Seite von Delphine Seyrig und Claude Regy, und feierte Erfolge in Stücken von Pinter, Ustinov, Miller und Mamet.
Dann weckte der Regisseur Bernard Tavernier sein Interesse für das Kino: Im Alter von dreißig Jahren begann Rochefort seine Karriere als Filmschauspieler und spielte in der Serie "Angelique" von Bernard Broderie mit. In den 1970er-Jahren war er der Lieblingsdarsteller von Yves Robert, der ihn als verkniffenen Geheimdienstchef Colonel Toulouse in "Der Große Blonde mit dem schwarzen Schuh" besetzte und damit seinen Star-Ruhm begründete.
Der Sonntagszeitung "Le Journal du Dimanche" hatte Rochefort 2015 gestanden, er fühle den Tod kommen: "Der Körper verlangt nach dem Tod, der Kopf auch manchmal." Er hätte aber keine Lust, seinen Mitmenschen Kummer zu bereiten", sagte er in einem Interview zu einem seiner letzten Filme: "Floride" von Philippe Le Guay, in dem er einen an Alzheimer erkrankten Achtzigjährigen spielte.