Am Montagabend feiert Barbara Alberts Historienfilm "Licht" auf dem Internationalen Filmfestival von San Sebastian seine Europapremiere. Auf eindrucksvolle Weise stellt die österreichische Regisseurin erneut ein Frauenschicksal und die Emanzipation in den Mittelpunkt ihres Werks.
Basierend auf Alissa Walsers Roman "Am Anfang war die Nacht Musik" erzählt Albert die wahre Geschichte der blinden Pianistin Maria Theresia Paradis (Maria Dragus), die im Wien des 18. Jahrhunderts durch die Behandlung des "Wunderheilers" Franz Anton Mesmer (Devid Striesow) kurzzeitig wieder das Sehen erlernt, dabei aber auch ihre Virtuosität beim Klavierspielen verliert.
Von Mesmer hätten die meisten schon einmal gehört. Doch von Maria Theresia nicht. Woran liegt das, fragt sich die Regisseurin. "Daran, dass die Geschichte von Männern erzählt wurde, ihre Musik im Gegensatz zu Mozart dadurch nicht erhalten blieb und sie heute kaum noch jemand kennt. Dabei war sie als bekannte Pianistin in ihrer damaligen Zeit teilweise berühmter als Mesmer", erklärte Barbara Albert in San Sebastian kurz vor der Europapremiere im Gespräch mit der APA.
Mit ihrem Historienfilm wollte Albert der in Vergessenheit geratenen Pianistin wieder Gehör verschaffen, "ihre eine Stimme geben". Doch ist der Film mehr als nur eine Art historische Wiedergutmachung? "Es geht auch um andere Fragen. Was ist der Wert des Menschen? Bin ich mehr wert, wenn ich etwas Besonderes kann? Bin ich weniger wert, wenn ich blind bin?"
Hochaktuelle Fragen, gerade für junge Menschen von heute, meint Barbara Albert: "In den sozialen Netzwerk wie bei YouTube muss ich außergewöhnlich, aber gleichzeitig angepasst sein. Der Wunsch und Druck angepasst zu sein, aber auch auffallen zu müssen, ist heute größer denn je. Wie muss ich ausschauen, damit ich akzeptiert werde? Solche Fragen beschäftigen gerade heute junge Menschen wie nie zuvor."
In Barbara Alberts "Licht" geht es ums Sehen und Gesehen werden. Darum, wie wir den anderen sehen. "Wer nicht sehen kann, der wird nicht gesehen. Wer nicht gesehen wird, wird auch nicht gehört. Der lebt nicht.", sind somit gewiss von Maria Theresia Paradis ausgesprochene Schlüsselsätze in diesem Film.
Maria Theresia Paradis hatte großes Talent, wurde aber vor allem in der barocken Wiener Gesellschaft bekannt, weil sie als Blinde anders war, hervorstach. "Gerade bei uns Frauen und als Schauspielerin ist das Äußerliche, Dein Aussehen, immer noch wichtiger als bei Männern, um Erfolg zu haben", bedauert auch die deutsche Schauspielerin Maria Dragus im APA-Gespräch.
So war der "Reiz der Hässlichkeit" für sie auch ein Grund, die Rolle der Maria Theresia zu spielen. Das wirkliche Drama der blinden Pianistin lag aber nicht nur im Äußeren oder in ihrer Blindheit, so Maria Dragus: "Maria Theresia durfte ihre eigene Identität nicht ausleben. Immer entschieden andere Menschen darüber, was für sie das Beste war und meistens war es das Beste für die anderen. Selbst ihre eigenen Eltern präsentierten sie wie ein Zirkus-Äffchen".
Alberts Historienfilm zeigt schonungslos auf, dass Frauen damals im Wien des 18. Jahrhunderts im Besitz ihrer Väter und Ehemänner waren. "Und in vielen Ländern der Erde ist das heute immer noch so", versichert Albert. In der westlichen Welt habe sich mit der Aufklärung und Emanzipation viel verbessert - auch in ihrer Branche. "Auf dem Filmfestival in Toronto stammten rund ein Viertel aller Filme von Regisseurinnen. Vor zehn Jahren war es noch außergewöhnlich, als Frau einen Film auf einem wichtigen Festival zu präsentieren. Doch auch heute noch darfst Du als Regisseurin weniger Fehler machen. Wenn ein Mann mal einen Film in den Sand setzt, ist das nicht weiter schlimm. Uns Regisseurinnen wird das nicht so schnell verziehen", meint Albert.
Der Historienfilm "Licht" geht am Montagabend im offiziellen Wettbewerb von San Sebastian ins Rennen um die "Goldene Muschel", die am kommenden Samstag vergeben wird. San Sebastian gehört neben Berlin, Cannes und Venedig zu den weltweit wichtigsten Filmfestivals. Ab dem 10. November läuft "Licht" auch in Österreich in den Kinos an.
www.sansebastianfestival.com, mademoiselle-paradis.com
Manuel Meyer/APA