Basierend auf Alissa Walsers Roman "Am Anfang war die Nacht Musik" zeigt Barbara Albert in "Licht" die wahre Geschichte der blinden Pianistin Maria Theresia Paradis, die im 18. Jahrhundert unter Anleitung des "Wunderheilers" Franz Anton Mesmer kurzzeitig wieder das Sehen lernt. In der Wiener Gesellschaft entspinnt sich ein Skandal.

Kammerspiel

Albert inszeniert ihr Zeitporträt primär als Kammerspiel, hält eine gestrenge Form der Inszenierung und verfolgt dabei die Entwicklung ihrer Hauptfigur Paradis und deren Versuche, sich aus dem engen gesellschaftlichen Korsett zu befreien. Die Hauptrolle spielt dabei der wandlungsfähige deutsche Shootingstar Maria Dragus, der als Mesmer ihr Landsmann Devid Striesow zur Seite steht. In Nebenrollen sind Lukas Miko, Nachwuchskraft Maresi Riegner und Stefanie Reinsperger zu sehen.

Mit der APA sprach Albert vor der Weltpremiere ihres Werks beim Filmfestival von Toronto am Freitag (8. September) über die Limitierung beim historischen Film, Sprache als hilfreiche Begrenzung und ihre Präferenz für Vorbereitung versus Improvisation.

APA: Mit Toronto, San Sebastian und der Viennale steht für Sie mit "Licht" ja nun ein wahrer Festivalmarathon an. Ist das für Sie bei einem Film Pflicht oder Kür?

Barbara Albert: Ach, ich genieße das. Ich bin zwar jemand, der gerne schnell in ein neues Projekt geht - und so liegt der Film, den man auf einem Festival präsentiert, schon lange zurück. Aber bei "Licht" freue ich mich sehr drauf, weil das eine so intensive Arbeit und eine Reise in die Zeit war, dass ich mich freue, das noch mal aufflammen zu lassen.

APA: Zwischen "Fallen", "Die Lebenden" und jetzt "Licht" lagen jeweils sechs Jahre Abstand. Ist das Ihr Arbeitsrhythmus für ein Spielfilmprojekt?

Albert: Ich habe nicht pausiert in der Zeit. Aber es werden nicht alle Projekte, an denen man arbeitet, etwas. Dann braucht die Förderlandschaft ihre Zeit. Und außerdem bin ich parallel als Professorin an der Filmuni in Potsdam tätig und habe meine Familie. Zugleich stimmt es, dass ich jemand bin, der sich gerne gut vorbereitet. Ich möchte mit einem optimalen Drehbuch in die Arbeit gehen, möchte die Sicherheit am Set haben. Für mich ist die Vorbereitung das Nonplusultra. Lieber länger vorbereiten, als in einen Dreh gehen, bei dem ich dann improvisieren muss.

APA: Das bedeutet, Sie kommen wie Hitchcock mit dem fertigen Film in Ihrem Kopf ans Set?

Albert: Ich versuche, möglichst viel zu wissen, bevor ich vor Ort bin. Das ist bei einem historischen Film wie "Licht" besonders wichtig für Kostüm, Maske oder Bühnenbild. Aber natürlich muss ich eine Offenheit am Set behalten. Aber das ist beim historischen Film tatsächlich etwas limitierter als bei anderen, weil man eben nicht einfach spontan schwenken kann.

APA: Was auffällt, ist die sprachliche Authentizität der Dialoge. Haben Sie darauf bei "Licht" besonderes Augenmerk gelegt?

Albert: Zu Beginn war ich sehr akribisch. In der Zusammenarbeit haben wir uns dann die eine oder andere Freiheit gegönnt, weil die Aussage vielleicht wichtiger war als eine historische Authentizität. Wir haben uns nicht in ein Korsett gezwängt. Zugleich habe ich zu Beginn genossen, dass es diese Grenzen gibt. Drehbuchautorin Kathrin Resetarits hat sich extrem in die Zeit und die Sprache eingearbeitet, was ich nochmals durch einen Historiker überprüfen habe lassen. Nun hat diese Sprache etwas Strenges, da kann man nicht schnell einzelne Sätze beim Dreh ergänzen.

APA: Die gesamte Inszenierung ist durch eine gewisse Strenge gekennzeichnet. Haben Sie bewusst der Versuchung widerstanden, die Wahrnehmung der blinden Protagonistin sinnlich darzustellen?

Albert: Ich finde schon, dass der Film auch eine Sinnlichkeit hat, eine Nähe zu den Figuren aufbaut. Aber wir wollten zu Beginn mit einer Strenge hineingehen, um ein Korsett zu haben - in dem auch die Hauptfigur steckt. Sie ist anfangs ein Objekt, das über den Film hinweg zum Subjekt wird. Das ist eine spröde Figur, der nicht leicht nahezukommen ist. Und mir war irgendwann klar: Ich kann mir nicht anmaßen, mit der Kamera nachzustellen, wie sie gesehen hat. Mir war wichtig, den Zuschauern hier Raum zu lassen. Es gibt kurze Momente im Film, die vielleicht eine Ahnung geben, aber ich wollte nicht zu konkret werden.

APA: Sie halten überhaupt viele der Grundfragen über die Methodik des "Wunderheilers" und seine Patientin im Unklaren...

Albert: Ich glaube schon, dass sie sehen konnte und sich das nicht nur eingebildet hat. Zugleich wollte ich das bewusst auch etwas in der Ambivalenz halten. Im Roman von Alissa Walser ist die Figur Mesmer zentraler gezeichnet. Mir war aber die Frauenfigur wichtiger. Das Objekt, das hin und her gezerrt wird, fand ich das Spannendste am Buch: ein unbewusstes Wesen, das langsam eine Stimme bekommt.

APA: Zum Abschluss noch ein Blick zurück nach vorne: Ist der große Erfolg Ihres Erstlings "Nordrand" für Sie heute eher ein Albdruck, weil die Erwartungshaltungen so hoch sind, oder doch eher ein Sprungbrett bei neuen Projekten?

Albert: "Nordrand" war sicher eine riesige Chance für mich, die mir die Legitimation als Regisseurin gegeben hat. Weil ich neugierig bin und viel ausprobieren wollte, habe ich danach aber nicht "Nordrand 2" gemacht, obwohl sich viele Leute etwas Ähnliches von mir erwartet haben. Vielleicht ist es leichter, sich kontinuierlich zu wiederholen, aber ich mache Filme, um Fragen zu stellen. Insofern hadere ich überhaupt nicht damit.