Das wäre dann der Hattrick, fast wie im Fußball: Zweimal hat Michael Haneke die Goldene Palme von Cannes bereits gewonnen – 2009 für „Das weiße Band“ und 2012 für „Amour“. Gewinnt er nun zum dritten Mal in Folge auch mit „Happy End“, wären es drei Hauptpreise beim vielleicht wichtigsten Filmfestival der Welt. Das ist in 70 Jahren Cannes noch keinem Regisseur gelungen.
Aber dem 75-jährigen Österreicher, der in der Familien- und Flüchtlingsgeschichte einmal mehr auf seine Lieblingsschauspieler Isabelle Huppert und Jean-Louis Trintignant setzt, ist alles zuzutrauen. Auch wenn unter den 19 Filmen im Bewerb starke Konkurrenz zu erwarten ist. Etwa von Fatih Akin, François Ozon, Sofia Coppola, Yorgos Lanthimos, Todd Haynes, Bong Joon-ho. Typisch für Haneke: Über den Inhalt von „Happy End“ war vorab kaum etwas zu erfahren. So viel zumindest ist mittlerweile bekannt: Das Familienporträt dreht sich um „das Lebensende eines alten Mannes, der auf sein Familienleben zurückblickt“ und dessen Sohn in die Flüchtlingskrise von Calais verwickelt ist. So beschreibt es Hanekes Stammproduzent Veit Heiduschka.
Isabelle Huppert, die in „Happy End“ zum vierten Mal für Haneke gespielt hat, verglich den Film stilistisch mit „Code: unbekannt“ aus dem Jahr 2000. Darin verschränkte Haneke scheinbar zusammenhanglose Handlungsstränge zum Porträt einer kalten Gesellschaft. Die Weltpremiere von „Happy End“ ist für nächsten Montag angesetzt. Tags darauf steigt in Cannes die große Jubiläumsfeier. Nebst Haneke und seinem exquisiten Cast um Trintignant, Huppert, Mathieu Kassovitz und Toby Jones feiern auch Hollywoodstars wie Nicole Kidman, Julianne Moore, Colin Farrell, Joaquin Phoenix, Kirsten Dunst, Vanessa Redgrave und Regisseur Roman Polanski 70 Jahre Filmfestival.
Bei allem Glamour fällt aber auf: Die früher für Cannes so typischen Mega-Hollywood-Premieren außer Konkurrenz fallen diesmal aus. Angeblich setzen die Studios bei prognostizierten Blockbustern wie „Alien: Covenant“ oder Teil 5 der „Fluch der Karibik“-Saga mittlerweile eher auf Internet-Marketing. Dafür nutzen ausgerechnet Streaming-Anbieter die große Bühne an der Croisette, Netflix etwa hat gleich zwei Filme im Wettbewerb: Noah Baumbachs Geschwisterdrama „The Meyerowitz Stories“ und Bong Joon-hos Monsterfilm „Okja“. Erstmals gibt’s auch TV-Serien im Programm. Und was für welche: David Lynch zeigt die ersten beiden Folgen seines von Fans 25 Jahre lang herbeigesehnten „Twin Peaks“-Sequels.
Ute Baumhackl