Manchmal weine ich so viel, dass ich selbst zu einer Träne werde.“ Chiron hat auch allen Grund dazu: Von seinen Mitschülern gemobbt und seiner cracksüchtigen Mutter (Naomie Harris) vernachlässigt, lernt der 9-Jährige früh, was es heißt, ein Außenseiter zu sein. Erst als sich Drogendealer Juan (Oscar als bester Nebendarsteller: Mahershala Ali) um den schüchternen Jungen kümmert, findet er eine Ersatzfamilie. Aber Chirons Probleme werden mit zunehmendem Alter nicht weniger. Der als Kind von allen „Little“ genannte Teenager macht seine erste sexuelle Erfahrung - mit seinem Schulfreund Kevin (Jharrel Jerome). Wie überlebt ein homosexueller Afroamerikaner in einem Umfeld von Gewalt und Intoleranz? Indem er ein „harter“ Junge wird, der sich einen Schutzpanzer aus Muskeln zulegt und als Drogendealer an seiner Street Credibility arbeitet. Eines Tages ruft der mittlerweile ebenfalls erwachsene Kevin (André Holland) an und Chiron trifft nach vielen Jahren seine große Liebe wieder.
Märchenhaft und gleichzeitig dramatisch wie das Tohuwabohu bei der Oscar-Vergabe für den besten Film (plus bestes adaptiertes Drehbuch) ist auch Barry Jenkins' Underdog-Porträt. Auch wenn „Moonlight“ kaum ein Klischee auslässt, geht Jenkins stilistisch eigene Wege. Untermalt von klassischer Streichermusik sieht man gleich zu Beginn, wie Juan seinem „Ziehsohn“ behutsam schwimmen beibringt und dabei erzählt, schwarze Jungs schimmern im Mondlicht bläulich.
Sozialdrama, Coming-of-Age-Story, Liebesfilm - vielschichtig wie die von Alex R. Hibbert (Kind), Ashton Sanders (Teenager) und Trevante Rhodes (Erwachsener) verkörperte Hauptfigur ist auch die inhaltliche Lesart, die „Moonlight“ zum (Oscar-)Gewinner der Herzen macht
Jürgen Belko