Die Tür zum titelgebenden Zimmer nebenan ist knallrot. Sie befindet sich in einem modernistischen Architekturjuwel bei Madrid, die Rede ist von der Casa Zsoke mitten im Wald. Midcentury-Mobiliar, riesige Fensterfronten, spektakuläre Ein- und Aussichten mitten im Wald. Dort haben sich zwei Freundinnen eingemietet. Offiziell für einen Urlaub, in Wahrheit hat die eine vor, dort Sterbehilfe zu praktizieren, während die andere in der Nähe ist.
Sie haben sich erst kurz davor wiedergefunden: die ehemalige Kriegsberichterstatterin Martha (Tilda Swinton) und die immer berühmter gewordene Autorin Ingrid (Julianne Moore). Als diese ihr neues Buch über ihre Angst vor dem Tod präsentiert, erfährt sie, dass Martha todkrank ist. Sie besucht sie im Spital, wo sie gerade eine Chemotherapie erhält. Nahezu nahtlos geht ihre Freundschaft da weiter, wo sie vor Jahrzehnten im Alltag verloren gegangen ist. Sie reden miteinander, sie lachen, sie erzählen sich, was sie erlebt haben, erinnern sich, sie denken an ihren gemeinsamen Liebhaber. Sie sind füreinander da, besonders Ingrid für Martha. Und vor allem respektieren sie sich.
Dann bittet die Schwerkranke ihre Freundin um den vielleicht größten Gefallen, um den man eine andere Person bitten kann: mit ihr eine allerletzte Reise zu unternehmen. Pedro Almodóvar kann sich in seinem ersten englischsprachigen Film, der heuer bei den Filmfestspielen in Venedig den Goldenen Löwen erhielt, auf das großartige Schauspiel der beiden Oscarpreisträgerinnen verlassen. Der Filmemacher, selbst für „Alles über meine Mutter“ mit einem Oscar geadelt, setzt visuell traditionell bei Ausstattung und Kostümen auf satte Farben wie Moosgrün, Senfgelb, Kupfer, Ultramarinblau. Die Kamera fährt über Häuserfronten in New York, blickt von oben auf Autostraßen, die Bildkompositionen spielen mit Metaphern über das Drinnen und Draußen.
Fast schon leichtfüßig lässt Pedro Almodóvar seine Protagonistinnen in perfekt komponierten Tableaus übers Leben und Sterben reflektieren, über Fragen von Mutterschaft, Beziehungen, Karrierewege, übers Alleinsein und Genießen. „Das ist ein Film über das Leben und die Freiheit zu entscheiden, welche Art von Leben wir leben wollen bis zum Schluss“, hat der spanische Filmemacher erklärt. Kein Film über den Tod.
Einige Dialoge klingen sehr hölzern und holprig, insgesamt widmet sich der Regisseur aber gekonnt einem schwierigen Thema in aller Leichtigkeit und Aufrichtigkeit: dem selbstbestimmten Sterben. Und Ingrid nimmt diese Verantwortung an.
Bewertung: ●●●●○