„Der zweite Akt“ hieß der diesjährige Eröffnungsfilm von Cannes, mit dem man es nach dem Vorjahres-Skandal um Maïwenns Historienepos „Jeanne du Barry“ mit Johnny Depp etwas ruhiger angehen wollte. Der Film vom französischen Multitalent Quentin Dupieux, der als „Mr. Oizo“ mit „Flat Beat“ in den 1990ern zur Dance-Musik-Sensation wurde, führt aktuelle Diskurse um Gender und Inklusion zu einem versöhnlichen Ende.
George Millers 148 Minuten langes Wüsten-Action-Epos „Furiosa: A Mad Max Saga“ stellt auf andere Weise Fragen nach Realität und Illusion. Die Erde ist verwüstet, die Menschen bekriegen sich, Postapokalypse also wieder, die sich inzwischen etwas wahrscheinlicher anfühlt als 1979, als der ursprüngliche „Mad Max“-Film in den Kinos zum Kultfilm avancierte.
„Furiosa“ ist der fünfte Film der Reihe, George Miller hatte in Cannes 2015 mit „Mad Max: Fury Road“ Charlize Theron als Actionheldin neu erfunden. Nun erzählt er die die Vorgeschichte seiner Heldin: Die kleine Furiosa wird von Banditen gekidnappt, deren Anführer Dementus (Chris Hemsworth, „Thor“) ihre Mutter ermorden lässt. Verkleidet als Bub gelingt es ihr, die ersten Jahre sicher zu überstehen, furchtlos arbeitet sie sich nach oben. Jahre später landet sie als Teenager (Anya Taylor-Joy) bei Praetorian Jack (Tom Burke), der ihren Mut bewundert und ihr verspricht, ihr alles Überlebenswichtige beizubringen, damit sie ihr verlorenes paradiesisches Zuhause wiederfinden kann.
Doch es zählt vor allem die Wüsten-Stuntshow in diesem bildgewaltigen Kampf der Karosserien und der ledrigen Steampunk-Kostüme – es ist eine Monsterstruck-Show der Superlative, die Heldin spricht wenig (der Bösewicht zu viel) und erledigt ihre moralische Mission in den letzten drei Filmminuten mehr im Vorrübergehen. Regisseur George Miller (79) erklärte in Cannes lachend, für den Film selbst aus der Pension zurückgekehrt zu sein, noch immer wirkt es etwas unwirklich, dass derselbe Regisseur, der „Mad Max“ erfand, auch hinter „Happy Feet“ und „Schweinchen Babe“ steht. „Furiosa“ bestätigt jedenfalls den alten Schmäh, „Filmfestivals gibt es, damit Filme fertig werden“ – zweieinhalb Wochen vor der Cannes-Premiere wurde der Film, an dem über 1300 Menschen mitwirkten, fertig, am 24.5. startet er in Österreich.
Unsympathischer Größenwahn
Ebenso megalomanisch, aber deutlich weniger sympathisch endete ein anders Alterswerk eines Großmeisters: „Megalopolis“ von Francis Ford Coppola, an dem er seit 35 Jahren bastelt. Es ist eine „Fabel“ über das Rom der Vergangenheit im Spiegel vom New York der Zukunft. Adam Driver spielt darin Architekt Cesar Catilina, der mit seinen Hochhausprojekten zum Erzfeind des Bürgermeisters Franklyn Cicero (Giancarlo Esposito) avanciert. Es gibt Weltstars noch in der kleinsten Nebenrolle – von Jon Voight bis Shia LaBeauf und Dustin Hoffmann. Aubrey Plaza spielt die geldgierige Reporterin Wow Platinum (ja, wirklich), erzählt wird aus der Perspektive von Cesars treuem Fahrer (Laurence Fishburne), es wird outriert Shakespeare zitiert und überall lauert billige Metaphorik. Es ist leicht zu verstehen, dass zu Francis Ford Coppola niemand nein sagt, aber es zeigt sich erneut: Nichts macht so schnell alt wie die Zukunft, die man sich vor 35 Jahren ausgedacht hat.
Julia Pühringer aus Cannes