Die weibliche Handschrift ist nicht zu übersehen: Auch wenn die spannende Ausstellung im urigen Stadtturm von Gmünd dem Surrealisten Max Ernst gewidmet ist, sind es viele Frauen, die für die einmalige Atmosphäre verantwortlich sind, die heuer die Künstlerstadt prägen.
Allen voran natürlich die unermüdliche Kulturarbeiterin Erika Schuster, die nach 28 Jahren die Kulturinitiative Gmünd in die Hände ihrer Tochter Julia legt. Die junge Kunsthistorikerin wird ab 2025 das Kunsthaus am Hauptplatz führen, das durch eine im Mai gegründete Privatstiftung ermöglicht wird. Erika Schuster freut sich beim Aufstieg in den Stadtturm, wo gerade der Kunstvermittler Hannes mit seiner Handpuppe Loplop Kindern Max Ernst näher bringt: „Da haben wir dann endlich ein Haus, das behindertengerecht ist, klimatisiert, heizbar. Der Stadtturm soll dann für weitere Gastateliers genutzt werden.“
Die Gastateliers sind neben den Galerien eine besondere Attraktion des Kunstsommers in der Stadt. 20 Künstlerinnen und Künstler arbeiten hier zwei Monate lang bei offener Türe.
Gelackte Lederhäute
Heuer lässt sich gerne Ina Loitzl über die Schulter schauen, die mit ihren Cutouts filigrane Scherenschnitte gestaltet. „Das ist Leder, oder? Das riecht man“, meint eine Besucherin, die fasziniert die wie Spitzendecken ziselierten, gelackten Lederhäute und ihr Schattenspiel an der Wand betrachtet. Organisch und sinnlich wirken diese blumigen Gebilde.
Auch eine Gasse weiter wird es blumig. Die junge Niederösterreicherin Isabel Mischka sitzt konzentriert vor ihrer Mini-Staffelei, neben sich ein Wasserglas mit einer Blüte, die sie beim Spaziergengehen mitgenommen hat. Sie malt ihre Aquarelle das erste Mal auf Pergament, was die Farbe besonders strahlen lässt: „Die Leute sind sehr interessiert an botanischer Kunst“, genießt sie die Aufmerksamkeit der Kunst-Flaneure und das konzentrierte Arbeiten im Gastatelier.
Eine ganz besondere Schnitzeljagd
Die Stadt am Fuße der mächtigen Burg putzte sich für die nationalen und internationalen Besucher heraus: Blumen an jedem Eck, da eine Gasse, über die diverse Handwerkszeuge gespannt sind, originell gestaltete Höfe (wie jener von Birgit Bachmann und Fritz Russ), Galerien (sehenswert: Frauke Danzer in der Galerie Miklautz) und Goldschmiedewerkstätten bieten jede Menge Kunstgenuss. Zu einer besonderen Schnitzeljagd lädt der „Andessner Walk“: An verschiedenen Orten der Stadt sind Arbeiten der österreichischen Fotografin Irene Andessner platziert.
Die feministische Künstlerin schlüpft für ihre Bilder verblüffend realistisch in die Rollen von berühmten Persönlichkeiten wie Peggy Guggenheim, Albrecht Dürer, Katharina Schratt u. a. Zu entdecken sind Andessners Arbeiten im Schaufenster einer Apotheke, eines Hutgeschäftes, verschiedener Galerien – und in der Stadtpfarrkirche. „Sie wird mit Haut und Haar zu diesen Frauen“, erklärt Erika Schuster begeistert, „für mich ist Irene Andessner die Marina Abramovic von Österreich!“ Übrigens: Am 24. August kommt die Künstlerin zu einem Sommer-Talk nach Gmünd (siehe Info)!
Karin Waldner-Petutschnig